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Vertrauen in die Vernunft: Jürgen Habermas wird 95

Wegbegleiter erleben Jürgen Habermas trotz hohen Alters als rege und humorvoll. Ein Band mit Gesprächen will sein Denken auch Laien nahebringen.
Jürgen Habermas
Der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas wird 95. © Arne Dedert/dpa

Mit 95 Jahren hat sich der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas noch nicht zur Ruhe gesetzt. «In irgend einer Arbeit steckt er immer», sagt Romam Yos, der zusammen mit Habermas und dessen Biografen Stefan Müller-Doohm an einem Gesprächsband für den Suhrkamp Verlag arbeitet. Er erlebe ihn als «sehr rege, sehr wach, geistig punktgenau fixiert», schildert Yos der Deutschen Presse-Agentur. Habermas selbst gibt nach Auskunft seines Verlags keine Interviews mehr.

Verstummt ist der große Denker aber keineswegs. Ein Mammutwerk wie das 2019 erschienene 1775-Seiten-Opus «Auch eine Geschichte der Philosophie» plane er nicht mehr. Aber immer wieder meldet er sich mit Essays für große Tageszeitungen oder wissenschaftliche Publikationen zu aktuellen Themen zu Wort. Corona, der Ukraine-Krieg, der Nahost-Konflikt haben ihn in den letzten Jahren beschäftigt. «Er kann nicht nicht politisch denken», sagt Yos, der am Lehrstuhl für Kulturphilosophie in Wuppertal arbeitet.

«Er kann nicht nicht politisch denken»

Dass der Name Habermas so vielen Menschen bekannt ist, liegt auch daran, dass es eigentlich zwei von ihm gibt: den Philosophen, dessen wissenschaftliches Werk für Laien «voraussetzungsreich und sperrig» erscheinen mag, wie Yos es formuliert - und den öffentlichen Intellektuellen, der sich in tagesaktuelle Debatten einschaltet. Dass seine Einlassungen mit langem Atem ausargumentiert sind und sich nicht auf eine Schlagzeile verkürzen lassen, versteht sich von selbst. Dass er sich damit auch Kritik aussetzt, kalkuliert er ein und ist sogar gewünscht. Denn die Debatte, der Austausch von Argumenten, das Ringen um Verständigung ist auch als Philosoph eines seiner Kernthemen.

Gesundheitlich gehe es ihm für sein Alter erstaunlich gut, berichtet Yos. Auch seine nahezu gleich alte Ehefrau lebt noch, allerdings ist eines seiner drei Kinder kürzlich verstorben. Seit Jahrzehnten lebt der am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geborene Habermas am Starnberger See, auch wenn seine berufliche Tätigkeit vor allem mit Frankfurt am Main verbunden ist, wo er ab 1956 Forschungsassistent bei Max Horkheimer war und 1964 dessen Lehrstuhl übernahm.

Lebenslanges Ringen um Vernunft

Die Schnelllebigkeit der sozialen Medien, die aggressiv aufgeheizte Debattenkultur, das Vordringen autoritärer Kräfte - all das muss ihm fremd sein, ihn vermutlich auch abstoßen. Dennoch glaube Habermas unverbrüchlich an das Konzept der Vernunft, sagt Yos. «Es gibt für ihn keine Alternative.» Allerdings habe er die ehemals überhöhte Vernunft-Idee quasi auf die Erde zurückgeholt in Form einer «detranszendentalisierten Vernunft».

Wem jetzt schon die Ohren klingeln, ist in großer Gesellschaft. Seine bedeutendsten Schriften wie «Strukturwandel der Öffentlichkeit» (1962) oder die «Theorie des kommunikativen Handelns» (1981) sind ebenso einflussreich wie anspruchsvoll. Im nicht deutschen Sprachraum wird Habermas nach Yos' Einschätzung bis heute als einer der bedeutendsten deutschen Denker wahrgenommen. Im philosophischen Fachdiskurs seines Heimatlands werde er inzwischen eher «historisch» wahrgenommen.

Mit Gesprächen dem Werk Leben einhauchen

Öffentliche Auftritte sind zum 95. nach Angaben seines Verlags nicht geplant. Zum 90. hielt der Ex-Frankfurter einen Vortrag an der Goethe-Universität, dem 3000 Menschen in fünf Sälen lauschten - bis ein Feuer-Fehlalarm die Rede unterbrach. Zusammen mit 700 Zuhörern verließ Habermas das Audimax - um dann seine Vorlesung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Hegel, Marx und Kant völlig ungerührt kommentarlos fortzusetzen.

Seit 2021 sprechen und schreiben Müller-Doohm und Roman Yos mit Habermas an dem Gesprächsband «Es musste etwas besser werden ...», der im September erscheint und den der Verlag als «den perfekten Einstieg in den Habermas-Kosmos» ankündigt. Habermas erzählt von wegweisenden Lektüren und prägenden Kollegen. Er gibt darin Auskunft über sein Denken und die Veränderungen, die es im Laufe der Jahrzehnte erfuhr. «So entsteht das Bild eines reichen Beziehungsgeflechts, das sich über große Teile der intellektuellen Landkarte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erstreckt.»

© dpa ⁄ Sandra Trauner, dpa
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