Die wachsende Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) droht nach Einschätzung von Deutschlands oberstem Wettbewerbshüter zum Nachteil für Verbraucher zu werden. «Künstliche Intelligenz ist unter Wettbewerbsgesichtspunkten ein Brandbeschleuniger der ersten Güte», sagte der Chef des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, am Mittwoch in Bonn. Die Macht der«Big Techs» - also US-Technologiekonzerne wie Google und Amazon -, würde durch KI noch größer und die Probleme, die man ohnehin schon mit ihnen habe, würden sich verschärfen. Die Abhängigkeit von solchen Firmen könnte schlimme Folgen haben, warnt er. «Stellen Sie sich mal vor, diese Unternehmen würden irgendwann demokratiefeindlich, sie würden menschenrechtsfeindlich - und Sie können ihnen nicht ausweichen.»
Mundt sieht die Big Techs derzeit als Torwächter (Gatekeeper) - sie haben sich an einem Tor positioniert, durch das die Verbraucherinnen und Verbraucher in der digitalen Welt gehen und Zugriff auf das Angebot anderer Dienstleister bekommen können, die nicht zu den US-Großkonzernen gehören. Es gebe also immerhin noch «Outside Options», also Angebote anderer Firmen, sagt der Kartellamtschef. «In der KI gibt es die nicht mehr - da werden Sie in dem Ökosystem drin gehalten, da gibt es keine Gatekeeper mehr, da gibt es nur noch ein in sich geschlossenes System.» Die Antwort komme dann beispielsweise nur noch von Google.
Der Verbraucher bliebe in einer geschlossenen digitalen Welt und wüsste dann gar nicht mehr, ob es noch andere bessere Dienste gebe. Die Big Techs würden die digitale Welt beherrschen und unter sich aufteilen. «Dass Sie als Verbraucher immer weniger Auswahl haben, das ist die große Sorge, die wir haben», sagt Mundt.
Forderung nach europäischer Cloud
Gewissermaßen die Grundlage für KI-Anwendungen sind leistungsstarke Clouds, also externe Rechenzentren zur Datenverarbeitung und Speicherung. Das Cloud-Segment wird von den Big Techs dominiert. Europa müsse hierbei unabhängig werden von den Cloudservices anderer Kontinente, sagt der Wettbewerbshüter. «Wir brauchen die europäische Cloudlösung.» Dies sei auch für die Digitalisierung der Verwaltung nötig, sagt er. Seine Behörde könne unmöglich gegen ein Big Tech vorgehen und hierbei für Daten, die für interne Zwecke gedacht sind, auf der Cloud des jeweiligen Big Techs abspeichern.
Mundt weist darauf hin, dass seine Behörde derzeit sieben unterschiedliche Verfahren gegen die Technologieriesen führe. Hierbei geht es im Kern um die Frage, ob die Konzerne ihre dominante Marktposition zum Schaden des Verbrauchers ausnutzen.
Eine weitere Marktkonzentration wäre «eine große Gefahr», warnt der Wettbewerbshüter mit Blick auf die wachsende Bedeutung von KI-Anwendungen, bei denen die Big Techs kräftig mitmischen. Eine europäische Cloud könnte helfen, diese Gefahr zu entschärfen. «Wir müssen sehen, dass wir unsere eigene Infrastruktur hier hinbekommen.»