Betroffene von sexueller Belästigung und Gewalt in der Kulturbranche haben sich 2023 so oft wie nie zuvor an die Vertrauensstelle Themis gewandt. Im vergangenen Jahr haben Expertinnen und Experten insgesamt 884 Mal beraten, wie die Anlaufstelle mitteilte.
Das seien etwa doppelt so viele wie im Jahr davor (434 Beratungen). Es sei die höchste Zahl an Beratungsanfragen seit dem Bestehen der Anlaufstelle, also seit 2018. Die meisten Menschen seien wegen Erst- und Folgegesprächen gekommen, andere wollten sich über präventive Angebote informieren. Bei mehr als der Hälfte der rund 130 teils anonymen Erstberatungen ging es den Angaben zufolge um körperliche sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz.
Andere Gespräche bezogen sich auf verbale, nonverbale oder digitale sexuelle Belästigung und Gewalt. Auch aktuell sei die Nachfrage hoch: Von Januar bis einschließlich Mai 2024 hätten Experten 384 Gespräche geführt. Die Zahlen zeigen laut Themis einen deutlich gestiegenen Beratungsbedarf - sowohl bei Betroffenen als auch bei Zeugen und Arbeitgebern.
Nachfrage deutet auf wachsende Bekanntheit hin
Eva Hubert aus dem Themis-Vorstand führt die Nachfrage unter anderem auf eine wachsende Sichtbarkeit der Vertrauensstelle zurück. «Die vielen Fälle von sexualisierter Belästigung und Gewalt, die uns zugetragen werden, sind natürlich immens traurig. Auf der anderen Seite deuten die steigenden Beratungszahlen darauf hin, dass die Bekanntheit und das Vertrauen der Branche in unsere Angebote wachsen», sagte Hubert laut Mitteilung.
Zudem werde seit 2022 auch die Musikbranche erfasst. Von den Zahlen aus 2023 könne man daher nicht automatisch auf eine Zunahme der tatsächlich stattgefunden Vorfälle sexueller Belästigung und Gewalt schließen. Sie könnten darauf hindeuten, dass sich in der Branche ein Kulturwandel vollziehe, vermutete sie.
Die Anlaufstelle wurde im Jahr 2018 in Berlin nach dem MeToo-Skandal gegründet. Dort können sich Menschen aus Film, Fernsehen, Theatern, Orchestern und der Musik melden, wenn sie sexuelle Belästigung oder Gewalt erfahren haben. Themis bietet kostenlos juristische und psychologische Hilfe an. Getragen wird die Einrichtung von mehreren Branchenverbänden, auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth unterstützt das Projekt.