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Angekommen nach gefährlicher Flucht - Diskussion um Kosten

Durchschnittlich rund 150 Geflüchtete kommen derzeit pro Tag in Hessen an. Für die Kommunen ist das eine enorme Herausforderung. Sie haben nach der Einigung von Bund und Ländern Gesprächsbedarf.
Migranten in Deutschland
Kriegsflüchtlinge aus Syrien stehen auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft zusammen. © Arne Dedert/dpa

Innig nimmt die aus einem Kurdengebiet in der Nähe der syrischen Grenze geflüchtete Frau ihren kleinen Sohn in den Arm. Gemeinsam mit acht Kindern und ihrem Mann hat es die 46-Jährige nach Deutschland geschafft, nun lebt die Familie vorübergehend in einer kargen Messehalle in Frankfurt. Ein Kampf ums Überleben sei die Flucht gewesen. Per Zug, Flugzeug, zu Fuß und mit einem Schlepper seien sie unterwegs gewesen. Drei Nächte habe die Familie im Wald bei Kälte und Regen übernachtet. Gesundheit und schnellstmöglich eine eigene Wohnung, so übersetzt ein Dolmetscher die drängendsten Anliegen der Frau.

Die kurdische Familie ist derzeit zusammen mit insgesamt rund 720 Menschen vorübergehend in Halle 8 der Frankfurter Messe untergebracht. Sie schlafen in abgetrennten Kabinen auf Klappbetten, ein schwarzer Vorhang ersetzt eine Tür. Für die Mahlzeiten und als Aufenthaltsbereich dienen orangene Biertischgarnituren. In einem kleinen Bereich mit Schaumstoff-Hockern spielen Kinder. Hinter weißen Trennwänden befindet sich ein Kindergarten mit bunten Spielgeräten sowie ein medizinischer und ein Sanitärbereich.

Die Unterbringung der Menschen, die überwiegend aus der Türkei, Afghanistan und Syrien kämen, sei «sicherlich jeden Tag eine Herausforderung», sagt der zuständige Abteilungsleiter des Regierungspräsidiums Gießen, Manfred Becker. Die Messehalle dient als vorübergehender Puffer. Im Schnitt 150 Menschen kämen derzeit pro Tag in Hessen an. Hilfreich wären unter anderem beschleunigte Verwaltungsverfahren, sagt Becker. Insgesamt acht weitere Unterkünfte gibt es landesweit zur Erstaufnahme. Nach drei bis vier Monaten werden die Menschen auf die Kommunen verteilt.

Verhandlungen über Entlastung mit dem Land

Dort gibt es nach der Einigung von Bund und Ländern zur Finanzierung der Flüchtlingskosten Gesprächsbedarf mit der Landesregierung. Die Beschlüsse sorgten nicht direkt für eine finanzielle Entlastung, sagt der Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, David Rauber. «Bund und Länder haben erstmal die Lastenverteilung untereinander geregelt», erläutert er. «Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, mit dem Land zu sprechen und weiter eine umfassende Kostenerstattung für die Flüchtlingsunterbringung sicher zu stellen.»

Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länder hatten am Dienstagmorgen eine Systemumstellung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten vorgestellt. Auch sollen Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden.

Die Pauschalbeträge pro Person seien in Hessen zuletzt 2020 festgeschrieben worden und stiegen jährlich um 1,5 Prozent, sagte Rauber. Dies reiche angesichts der Inflation nicht. «Hinzu kommt: Wegen des hohen Zuzugs klappt es vielerorts nicht mehr, vorhandene Wohnungen zur Unterbringung anzumieten.» Die derzeit gezahlten Mittel reichten nicht für Investitionen in neue Gebäude oder Container. Es dürfe nicht zu Situationen kommen, dass über Jahre Turnhallen belegt werden, Schul- und Vereinssport ausfallen.

Der Präsident des Hessischen Landkreistages Wolfgang Schuster (SPD) begrüßt, dass die Zahlungen nun an die Anzahl der geflüchteten Menschen gekoppelt sind. «Bedauerlicherweise ist die aus unserer Sicht wichtige kommunale Forderung nach einer vollständiger Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge seitens des Bundes hingegen nicht beschlossen worden», ergänzt er.

Schwierige Suche nach Wohnraum für Flüchtlinge

Die Stadt Marburg hat 2023 bis zum 1. November 292 Geflüchtete aufgenommen. Anfang Oktober gab es in der Universitätsstadt 1037 Unterbringungsplätze, weitere rund 80 seien derzeit in Vorbereitung, wie die Stadt erklärt. Man suche weiter Liegenschaften, um Wohnraum zu schaffen - eine der größten Herausforderungen. Der jährliche Pauschalbetrag von 7500 Euro pro Asylbewerber sei zu niedrig, zumal er nur für Erstantragsteller ab 2024 gedacht sei.

Der Main-Kinzig-Kreis hofft, dass die geplanten Umstellungen in den Kommunen ohne großen bürokratischen Aufwand umgesetzt werden können und keine zusätzlichen Kosten entstehen. Gerade bei geplanten Veränderungen wie den Bezahlkarten als Ersatz für Bargeldleistungen und der Verfahrensdauer von Asylverfahren werde es auf die Ausgestaltung der Details ankommen, teilte Hessens bevölkerungsreichster Landkreis mit. Das Land müsse die vorgesehenen Mittel «eins zu eins» an die Kommunen weiterleiten.

Die Ergebnisse von Bund und Ländern könnten nur einen Einstieg in weitere Maßnahmen darstellen, erklärte Kassels Sozialdezernent Norbert Wett (CDU). Wichtig seien die zügige Umsetzung beschlossener Maßnahmen und weitere finanzielle Verbesserungen. «Zum Beispiel bleibt der Umstand, dass die Kommunen für Geflüchtete mit Status 'Geduldete' weiterhin keine finanzielle Unterstützung von Land oder Bund erhalten, sehr unbefriedigend.» Darüber hinaus hoffe man auf eine schnelle Umsetzung der Bezahlkarte. Auch Kassel muss die Unterbringung ausbauen. Man erwarte steigende Zahlen, so ein Sprecher. Aktuell sind es 45 Unterkünfte mit bis zu 2100 Plätzen.

Geld reicht den Kommunen nicht aus

Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) sagt zu den Beschlüssen, sie seien «besser als nichts». Zugleich sei es nicht die finanzielle Entlastung, die notwendig wäre. «Die jetzt vereinbarte Pro-Kopf-Pauschale von 7500 Euro gilt ja nur für Menschen, die einen Erstantrag auf Asyl stellen – die also neu zu uns kommen. Für alle, die schon in unserer Stadt sind, gibt es keine Unterstützung.» Der Bund müsse sich stärker engagieren. «Repressive Ideen wie eine Bezahlkarte» seien nicht zielführend.

Auch für Wiesbadens Oberbürgermeisters Gert-Uwe Mende (SPD) bleibt die Einigung «hinter den Erwartungen und vor allem hinter den Bedarfen» zurück - bei allem Verständnis für den schwierigen Abstimmungsprozess. Die Vereinbarung eines «atmenden» Finanzierungssystems sei zwar ein Fortschritt. «Aber der Pauschalbetrag von 7500 Euro ist unzureichend – im Ballungsraum mit seinen hohen Kosten für die Unterbringung allemal», erklärt Mende. Die Sorge vor zunehmendem bürokratischen Aufwand sei nicht ausgeräumt. Bei der weiteren Konkretisierung sollten die Kommunen eine größere Mitspracherolle bekommen.

© dpa ⁄ Isabell Scheuplein (Text) und Boris Roessler (Foto), dpa
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