Regisseur Giorgos „Yorgos“ Lanthimos kreiert künstlerische Filme mit seltsamen Welten – und greift dabei stets auf namhafte Schauspieler:innen zurück. Sein letzter Film, Poor Things, ein feministische Interpretation von Frankenstein, konnte vier Oscars gewinnen. Einen davon erhielt Hauptdarstellerin Emily „Emma“ Stone, welche ihm auch bei seinem neustem Film Kinds of Kindness zur Seite stand.
Der 165-minütige Streifen besteht aus drei Geschichten, keine ergibt einen bestimmten Sinn, aber jede schickt Dich auf eine eigene Reise. In unserer Filmkritik zu Kinds of Kindness erzählen wir Dir, wohin diese Reise genau führt – und ob sie den Trip wert ist.
Einen ersten Eindruck vom Anthologie-Film erhältst Du hier im Trailer zu Kinds of Kindness:
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Fast drei Stunden voller Rätsel
Vorab: Kinds of Kindness ist keine einfache Kost und bei Weitem nicht so märchenhaft wie Poor Things. Der Film besteht im Grunde aus drei unterschiedlichen Filmen – alle Schauspielenden spielen mehrere Rollen. Endet ein Film, wechselt das komplette Setting. Es bleibt offen, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen den einzelnen Geschichten gibt. Sie behandeln alle drei ähnliche Themen wie beispielsweise gesellschaftliche Akzeptanz, Macht und den großen Sinn (oder Wahnsinn) des Lebens.
Der große Reiz des Films besteht im Rätselraten. Worum geht es hier? Was ist Realität, was ist Fiktion? Werden die unterschiedlichen Personen ihr Ziel erreichen? Das ist eine Erfahrung, die wir Dir durch allzu große Spoiler nicht nehmen wollen, aber wir wollen Dich zumindest nah genug an das Geschehen heranführen, so dass Du Dir einen Überblick verschaffen kannst. Nur wir warnen Dich vor: Der Film beschäftigt sich vor allem damit, was uns Menschen unangenehm ist.
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Die Story: Ein Angestellter, ein Ehemann und ein Sektenmitglied
Die Handlung von Kinds of Kindness setzt sich aus diesen Erzählungen zusammen:
In der ersten Geschichte hat der Büroangestellte Robert (Jesse Plemons) Probleme mit seinem Chef Raymond (Willem Dafoe). Dieser verlangt von ihm, einen unmoralischen Auftrag auszuführen. Als sich Robert weigert, wird ihm bewusst, wie viel Macht sein Chef über sein Leben hat.
In der zweiten Geschichte sorgt sich Polizist Daniel (Jesse Plemons) um seine Ehefrau Liz (Emma Stone), die bei einer Forschungsreise verschollen ist. Als sie zurückkehrt, scheint sie ein anderer Mensch zu sein. Die nächsten Tage werden für die beiden die Hölle auf Erden.
In der dritten Geschichte gehören Emily (Emma Stone) und Andrew (Jesse Plemons) einer Sekte an, die eine mysteriöse Frau sucht. Doch es kommt alles anders und Emily muss andere Methoden anwenden, um an ihr Ziel zu gelangen.
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Das ist alles nur ein merkwürdiger Traum
Kinds of Kindness besteht im Grunde aus drei Krimis. Aber statt eine:n Mörder:in zu stellen, hinterfragen wir jedes Mal die Realität, in der die Personen leben. Das Schema bleibt dabei immer das Gleiche: Erst folgt das Rätsel, dann die Auflösung. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass Kinds of Kindness mit unseren Erwartungen und Sehgewohnheiten spielt. Diesen Film siehst Du nicht, Du träumst ihn. Zudem werden immer wieder vertraute Aspekte eingestreut, die an andere Filme erinnern.
So haben wir die Geschichten erlebt
Die erste Geschichte ist noch die bodenständigste der drei. Sie macht neugierig, sie kreiert lustige Momente und erinnert stark an simuliertes Leben wie in „Die Truman Show“ oder „Matrix“.
Die zweite Geschichte beginnt erst harmlos und wird, je länger sie dauert, immer brutaler und abstoßender – sie mutiert irgendwann zum regelrechten Horrorfilm. Wir mussten hierbei vor allem an „Gone Girl“ und „Das Schweigen der Lämmer“ denken.
Ohne Vorwarnung wird Dich dieser Genrewechsel vermutlich sehr kalt erwischen. Aber nichtsdestotrotz: Am Ende der zweiten Geschichte sind wir erleichtert, dass wir den Albtraum überlebt haben und aufwachen dürfen. Wir sind glücklich und schweißgebadet.
Doch dann folgt die dritte Geschichte – und ehrlich gesagt fügt diese nichts mehr Neues hinzu. Sie ist die seltsamste von allen, ohne dabei neue Höhepunkte zu präsentieren. Die Geschichte über Sekten – irgendwo zwischen „Akte X“ und „Midsommar“ – wirkt wie ein Kapitel, das vermutlich dramaturgisch besser in die Mitte gepasst hätte und nicht ans Ende. So bleibt sie nun ein Ausklingen, das viel zu lange dauert und dann sehr offen endet.
Abseits vom Sinn filmisch und schauspielerisch meisterhaft
Es ist absolut beeindruckend, wie alle Schauspielenden jeweils zwischen drei Rollen springen können. Sie spielen Menschen, die in dem einen Moment komplett glaubwürdig sind und in dem anderen Moment wie ferngesteuerte Puppen wirken. Sei es nun Emma Stone, Jesse Plemons oder Willem Dafoe – sie tragen mit ihrem Spiel großartig zur traumartigen Atmosphäre bei und laden jede Szene mit einer seltsamen Aura auf.
Das Ganze wird dabei durch eine Montage fein gewählter Perspektiven unterstützt. Mal ist die Kamera viel zu nah, mal sehr weit weg. Jede Geschichte hat eine eigene Architektur und einen eigenen Farbcode.
Kinds of Kindness in der Filmkritik: Unser Fazit
Der neue Film von Yorgos Lanthimos ist ein absolut faszinierendes Experiment, das die Magie und den Wahnsinn von Träumen auf die Leinwand bringt. Ein einzigartiger Film, der für uns aber stellenweise scheitert. Vielleicht liegt es an der Reihenfolge der Geschichten, vielleicht sind es auch zu viele. Dramaturgisch kann es die dritte Geschichte jedenfalls mit den beiden vorherigen nicht aufnehmen – sie ist einfach da, macht zu wenig und reißt dann diesen Gedankenzug mit sich in die Tiefe.
Wir gehen mit einem merkwürdigen Gefühl aus Kinds of Kindness und fragen uns, ob wir immer noch träumen. Wir wollen dieses neuartige Gefühl mit anderen Personen teilen, die neugierig gegenüber neuen Traumwelten sind. Aber allen anderen wünschen wir bessere Träume.
Kinds of Kindness |
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Genre: | Mystery, Arthouse |
Bundesstart: | 4. Juli 2024 |
Laufzeit: | 164 Minuten |
FSK: | - |
Regie: | Yorgos Lanthimos |
Drehbuch: | Yorgos Lanthimos, Efthymis Filippou |
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