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Angst und Protest: Rechtes Treffen in Villa schockt Anwohner

Ein Ort, der als Naturidyll gilt und durch historische Villen geprägt ist, ist zum Schauplatz eines Treffens radikaler Rechter geworden. Die Schlagzeilen lassen bei den Bürgern Angst und Fassungslosigkeit zurück - und vor allem den Willen, gegen Rechts zusammenzustehen.
Gästehaus in Potsdam
Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem das rechte Treffen stattgefunden haben soll. © Jens Kalaene/dpa

Carmen Klockow hofft immer noch, sie hätte nur schlecht geräumt. Ihr wunderschönes Neu Fahrland - jetzt ein Ort, an dem die alte Nazizeit wieder aufersteht? Der Stadtteil im Norden von Potsdam war Schauplatz des Treffens radikaler Rechter, das seit zwei Wochen bundesweite Protestdemonstrationen ausgelöst hat. «Es war immer ein beschaulicher Ort, wo man sich gut erholen und spazieren gehen konnte und man das Gefühl hatte, hier ist die Welt noch in Ordnung», sagte Ortsvorsteherin Klockow, die alle Einwohner am Donnerstagabend ins Bürgerhaus einlud.

Sie berichtet von einer bunten Bevölkerung, einer Mischung aus Alteingesessenen und Zugezogenen. Gutbetuchte, Adelige, Unternehmer hatten sich hier Villen bauen lassen und Häuser mit Seezugang. Im Gästehaus am Lehnitzsee feierten Anwohner Familienfeste. In dem denkmalgeschützten Landhaus - heute eine Art Hotel - trafen sich Rechtsradikale mit Politikern von AfD und CDU und sprachen über «Remigration». Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.

Gleich nach den Enthüllungen des Medienhauses Correctiv vor etwa zwei Wochen malten Bürger von Neu Fahrland - ein 1600-Einwohner-Ort - Protestplakate, zündeten Kerzen an, schlossen sich der Demonstration mit rund 10.000 Menschen in der Mitte der brandenburgischen Landeshauptstadt an. Die rund 80 Bewohner, die am Donnerstagabend in der Bürgerversammlung miteinander diskutieren, wollen jetzt weiter gegen Rechtsextremismus Haltung zeigen.

«Nazis haben in Neu Fahrland keinen Platz», sagten sie. Die Vorgänge im Gästehaus am Lehnitzseee machten ihnen Angst. Die Demonstrationen seien aber ein hoffnungsvolles Zeichen. «Es ist Zeit, dass wir zusammenstehen», sagte ein Anwohner. Auch den Eigentümer der besagten Villa, den sie persönlich kenne, habe sie eingeladen, sagte Ortsvorsteherin Klockow. Er kam nicht.

Die Lokalpolitikerin (Freie Wähler) und Ärztin kennt auch kritische Reaktionen auf die Berichte über das rechte Treffen im Ort. Sie schilderte, die Nachrichten seien teils angezweifelt und als mögliche Fälschungen bezeichnet worden. Ein Bürger erzählt, er sei angegangen und beschimpft worden, als er vor Tagen einen Aufruf zur Potsdamer Protestdemonstration aufhängen wollte. «Die Konflikte sind ja unter uns, in den Häusern, den Straßen.»

Sorgen macht sich die Stadtverordnete Klockow, dass der wachsende Stadtteil im Norden Potsdams in Misskredit gerät. Sogar in Frankreich und Italien spreche man heute von Neu Fahrland, aber nicht darüber, dass es ein wunderschöner Ort sei, sondern dass hier die alte Nazizeit wieder auferstehe.

Aber es geht längst nicht nur um Befürchtungen, dass der Ruf einer Stadt Schaden nehmen könnte. In ganz Brandenburg gehen die Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße - auch abseits großer Städte und in Regionen, die als Hochburgen der AfD gelten. «In ostdeutschen Kleinstädten mit 40% AfD sind Demos gegen Rechts filigrane Handarbeit», schrieb die Grünen-Politikerin und Sozialministerin Ursula Nonnemacher vor einigen Tagen bei der Plattform X. «Viele Erstdemonstrierende, auch in höherem Alter - da werden ganz neue Schichten erreicht.»

Auch die Bürger von Neu Fahrland wollen gemeinsam gegen Rechtsextremismus eintreten und weiter demonstrieren. Schon für diesen Samstag rief der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam die Bevölkerung dazu auf, sich in Gedenken an die Opfer des Holocausts zu versammeln. Als Zeichen gegen das Vergessen sollten sie Lichter anzünden oder einfach auch eine Taschenlampe mitbringen, hieß es. In zahlreichen anderen Städten Brandenburgs gibt es Kundgebungen unter dem Motto «Zusammen gegen Rechts».

Was in dem Gästehaus am See, das nach eigener Beschreibung das Ambiente der 20er Jahre zurückbringen will, vor sich ging, prüfen nun die Verfassungsschützer in Brandenburg. Die Sicherheitsbehörde bekam vom Bundesamt für Verfassungsschutz eine umfangreiche Datensammlung im Zusammenhang mit der Veranstaltung im November und der Immobilie, wie Innenminister Michael Stübgen (CDU) berichtet hatte.

Die Enthüllungen von Correctiv kommen aber auch ins Theater: An diesem Samstag (27. Januar) werden Ensemblemitglieder des Hans Otto Theaters in Potsdam Textpassagen des Materials auf der Bühne lesen.

© dpa ⁄ Monika Wendel, dpa
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