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Wie ukrainische Kriegsverletzte in Berlin Hilfe bekommen

Heftige Verletzungen und Wunden etwa bei Krebspatienten und Unfallopfern sind für Ärztinnen und Ärzte hierzulande nichts Neues. Die Erfahrung kommt auch ukrainischen Kriegsverletzten zugute.
Ukrainekrieg - Kiew
Rettungskräfte evakuieren einen verletzten Mann nach einem russischen Angriff in Kiew, Ukraine. © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Sie kommen in der Regel nicht direkt von der Front, sondern sind schon eine Weile in der Heimat versorgt worden: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor knapp zwei Jahren sind 52 ukrainische Patienten mit koordinierten Transporten nach Berlin gebracht worden. Die Menschen seien seit dem 24. Februar 2022 über das sogenannte Kleeblatt-Verfahren in hiesigen Kliniken weiterbehandelt worden, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage mit (Datenstand 22. Januar). Unter diesen Patientinnen und Patienten sind Zivilisten und Soldaten.

Das Kleeblatt-System war während der Corona-Pandemie eingeführt worden, um Patientinnen und Patienten bei Überlastung innerhalb Deutschlands auf Kliniken zu verteilen. Insgesamt wurden seit Kriegsbeginn bisher mehr als 950 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine über diesen Mechanismus nach Deutschland transportiert und hier behandelt, wie eine Sprecherin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erklärte.

Überwiegend geht es demnach um kriegstypische Verletzungen, etwa durch Schüsse, Explosionen, Sprengungen, Verbrennungen und um den Verlust von Gliedmaßen. Außerdem würden auch akut Erkrankte aus der Ukraine übernommen, die eine weitergehende medizinische Behandlung bräuchten. Etwa, weil es in dem kriegsgebeutelten Land an Medikamenten mangelt oder Infrastruktur zerstört wurde. «Hinzu kommen noch unterschiedlichste Psychotraumata.» 

Fachleuten zufolge dürften abseits des offiziellen Weges noch mehr ukrainische Kriegsverletzte in Berlin behandelt worden sein, da sich auch Hilfsorganisationen für eine Versorgung einsetzen. 

Monatelange Behandlungen in Berlin

Bei der Übernahme gehe es meist nicht um akut Verletzte, deren Versorgung gelinge in der Ukraine, sagte Sven Märdian, leitender Oberarzt an der Charité, der für das Berliner Traumanetzwerk die Verteilung ukrainischer Soldaten auf Kliniken koordiniert. Dennoch handele es sich oft um komplexe Fälle, die teils monatelang behandelt werden müssten. Dabei gebe es Parallelen etwa zur Versorgung von Unfallopfern. Es kämen aber zusätzliche Herausforderungen hinzu, häufig etwa Infektionen mit multiresistenten Keimen. Diese gelten als relativ schwer in den Griff zu bekommen.

Im Unterschied zu anderen Patienten fehlt Ukrainern außerdem das soziale Umfeld. Statt zwischen Behandlungen zu Hause von der Familie umsorgt zu werden, kann das bedeuten: «Die Patienten gehen von hier aus in eine Flüchtlingsunterkunft oder in andere Auffangeinrichtungen», sagte Märdian. «Das ist nach einem Eingriff suboptimal.» Das Problem ist den Behörden bewusst: Die Senatsverwaltung für Soziales ist nach eigenen Angaben dabei, ein Objekt als mögliche Unterkunft für solche Patienten zu prüfen.

Einen Unterkiefer aus Knochen und Gewebe wiederherstellen 

Die Schicksale ihrer ukrainischen Patienten stellen auch für Spezialisten keine Routine dar. Derzeit wird in der Hauptstadt etwa ein Soldat behandelt, der durch eine Bombenexplosion seinen Unterkiefer verlor, wie Charité-Mediziner Max Heiland (Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie) sagte. Erfahrung mit solchen Eingriffen habe man aus Krebs-Behandlungen. 18 Stunden lang operierten demnach mehrere Teams den Verletzten im Januar. Sie rekonstruierten den Kiefer aus an den Beinen entnommenem Knochen und Gewebe.

Das Vorgehen werde am Computer geplant, sodass der Knochen vorab zugeschnitten und im OP wie ein Puzzle eingesetzt werden könne, sagte Heiland. Auch mithilfe einer Zahnprothese soll der Verletzte perspektivisch wieder eine gute Lebensqualität erreichen und in der Lage sein, zumindest weiche Speisen zu essen. Erst einmal sei der Patient aber in der Erholungsphase. «Wir sind froh, wenn wir helfen können», sagte Heiland. Gerade in schwierigen Fällen sei die Charité wohl die letzte Instanz: «Wer, wenn nicht wir soll diese Patienten übernehmen?»

Mediziner: Brauchen einfachere Regelungen zur Kostenübernahme

Die Kosten für derartige Behandlungen mit mehreren OPs und langen Krankenhausaufenthalten können in die Hunderttausende gehen. Kliniken gingen dabei in Vorleistung, sagte Märdian. «Was ich vermisse, ist ein klarer Fahrplan auf Bundesebene für die Finanzierung», sagte der Mediziner. «Wir bräuchten einen maximalen Bürokratieabbau.» Schwierig sei auch, Patienten in Reha zu schicken, da diese Kliniken vorab eine zugesicherte Kostenübernahme bräuchten.

Die Sozialverwaltung geht nach eigenen Angaben in Absprache mit der Gesundheitsverwaltung immer wieder der Frage von Abrechnungsschwierigkeiten nach. «Uns wurde mitgeteilt, dass dies nicht der Fall ist bzw. dass keine Fälle bekannt sind», teilte ein Sprecher mit. Bekannt sei aber, dass es für Patienten teils zu Verzögerungen bei Bürgergeld und Sozialhilfe komme - und so auch beim damit einhergehenden Zugang zur Krankenversicherung.

Diese Leistungen müssten beantragt werden, da das Bundesgesundheitsministerium für das Kleeblatt-System keine eigenständige Finanzierung vorgesehen habe. Es verweise auf Bürgergeld, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungsgesetz. Verzögerungen könnten sich insbesondere aufgrund der Komplexität der Fälle und der Vielfältigkeit der Stellen ergeben, die jeweils für Teile des Prozesses in Berlin zuständig seien. Es gebe aber einen Austausch mit den Bezirken über Möglichkeiten, Fälle zu bündeln.

© dpa ⁄ Gisela Gross, dpa
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