Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bewertet das in Berlin geplante elfte Pflichtschuljahr für Schüler ohne Ausbildungsplatz grundsätzlich positiv. Der Erfolg hänge aber von der konkreten Ausgestaltung ab, erklärte die Leiterin des Vorstandsbereichs Schule der GEW Berlin, Karin Petzold, am Donnerstag anlässlich einer Beratung zu dem Thema im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses.
«Das elfte Pflichtschuljahr sollte insbesondere zur Förderung der personellen und sozialen Kompetenzen sowie zur Orientierung für den eigenen Weg in die Berufswelt dienen», erläuterte sie die Vorstellungen ihrer Gewerkschaft. «Die jungen Menschen sollten dazu befähigt werden, fundierte und tragfähige Lebensentscheidungen zu fällen.»
Klassischen Unterricht im Klassenverband sollte es aus GEW-Sicht dabei nicht geben. «Auf die üblichen Varianten von Lernerfolgskontrollen und Leistungsmessung sollte verzichtet werden», forderte Petzold. Nötig seien auf individuelle Bedürfnisse der Schüler zugeschnittene Lernpläne. «Von der konkreten Ausgestaltung des Bildungsganges wird es abhängen, ob das zusätzliche Jahr zu einem weiteren Jahr «Nachsitzen» verkommt oder ob es echte Perspektiven eröffnet.»
Elftes Pflichtschuljahr ist Teil des neuen Schulgesetzes
Das elfte Pflichtschuljahr ist Teil einer von der schwarz-roten Koalition geplanten Novellierung des Berliner Schulgesetzes, die zum 1. August in Kraft treten soll. Es soll Schülern helfen, die zum Ende der zehnten Klasse noch keinen Ausbildungsplatz oder andere berufliche Perspektiven vorweisen können. Die Bildungsverwaltung geht davon aus, dass die neue Regelung für etwa zehn Prozent der Zehntklässler in der Sekundarstufe - also rund 3000 Schülerinnen und Schüler - infrage kommt.
Ziel ist vor allem, ihnen in dem zusätzlichen Schuljahr mehr berufliche Orientierung, aber auch mehr Qualifizierung für eine künftige Berufsausbildung zu ermöglichen. Eine Hoffnung ist, dadurch auch die hohe Abbruchquote in der Berufsausbildung senken zu können, die nach Angaben von Wirtschaftsverbänden bei rund 30 Prozent liegt.
GEW fordert auch mehr Personal
Die GEW wies darauf hin, dass für das Vorhaben zusätzliche Personalressourcen nötig seien. Denn viele der betroffenen jungen Leute hätten psychosoziale oder andere Schwierigkeiten. Angesichts des komplexen Unterstützungsbedarfes für sie würden zusätzliche Lehrkräfte, aber auch Lernbegleiter, Sozialarbeiter oder Psychologen gebraucht. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten - nicht zuletzt in den berufsbildenden Schulen - dürften sich durch die zusätzlichen Aufgaben im Rahmen des elften Pflichtschuljahres auf keinen Fall weiter verschlechtern.