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Perfekte Täuschung: Wie KI die Modewelt erobert

Auch auf den zweiten Blick perfekt: KI-Avatare machen Models «echte» Konkurrenz. Werden sie sich durchsetzen oder wird eine Kennzeichnungspflicht den KI-Hype beenden?
KI in der Modewelt
KI in der Modewelt
KI in der Modewelt

Das Kleid des Models sitzt perfekt, der Blick der Frau ist wach, und ihre Haare sind voluminös. Sie ist zu schön, um wahr zu sein – und das ist sie auch nicht. Die makellose Frau auf dem Foto ist ein Avatar, generiert mithilfe von Künstliche Intelligenz (KI). Als das spanische Modehaus Mango im Juli seine sommerliche Jugendkampagne mit einem künstlichen Model vorstellte, war selbst Marco Sinervo, der CEO einer der größten Modelagenturen Deutschlands, verblüfft von dem «Fake», wie er den KI-Avatar nennt. «Ich habe nicht erkannt, dass es kein reales Model war», gibt er im dpa-Gespräch zu.

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio war Sinervo damit nicht allein. 72 Prozent der 1.000 Befragten empfanden die Darstellung des Models und der Kleidung in der KI-Kampagne als realitätsnah. «Wir nutzen KI täglich für Kunden, ohne dass es auffällt», sagt auch Michael Berger, Geschäftsführer von Beyond Studio, einem Design-Kollektiv, das bei Fotoproduktionen stark auf KI setzt. Für Unternehmen biete KI viele Vorteile: Anstatt für Shootings um die Welt zu reisen, könnten Hintergründe digital erstellt werden. Das spare nicht nur Zeit und Kosten, sondern schone auch die Umwelt.

«Im besten Fall das ganze Model ersetzen»

Für Auftraggeber wäre es sogar günstiger, gar kein Model mehr zu bezahlen, erklärt Berger. «KI soll im besten Fall das ganze Model ersetzen.» Derzeit sei es jedoch noch notwendig, Kleidung und Accessoires am Körper zu fotografieren, da KI diese (noch) nicht korrekt darstellen könne. Daher greife man oft auf sogenannte Körpermodells zurück, deren Köpfe später digital ersetzt werden. Noch sei dieser Prozess genauso teuer wie herkömmliche Fotografie. «Sobald KI das automatisieren kann, wird es günstiger», fügt Berger hinzu.

Auch in Deutschland setzt man in der Modewelt auf KI, etwa der Otto-Konzern. Seit Frühjahr 2024 nutzt das Unternehmen nach eigenen Angaben bei Produktdarstellungen auch KI-generierte Models. Ob Bademode am Strand oder Sporthose im Fitnessstudio: «Ein KI-Model lässt sich in Sekundenschnelle in verschiedenen Outfits und in vielfältigen Umgebungen platzieren», so ein Sprecher. Auch der Onlineversandhändler Zalando nutzt zusätzlich generative KI im Content-Bereich - «vor allem zur Erstellung von Bildhintergründen für Produktfotos», heißt es auf Anfrage.

«KI ist nicht sexy»

Werden Models und Fotografen also bald überflüssig? Norbert Hansen, Vorstandsvorsitzender des Verbands lizenzierter Modellagenturen (Velma), sieht düstere Zeiten für die Modelbranche: «Wenn vor allem die technische Entwicklung schnell voranschreitet, wird es in den nächsten Jahren meiner Einschätzung nach sehr viele Agenturen nicht mehr geben.» Viele Online-Shops fotografierten täglich zahlreiche Outfits, wobei die Ware im Vordergrund stehe und nicht das Model. «Diese Motive könnten langfristig vollständig durch KI ersetzt werden.»

Sinervo ist da anderer Meinung. «KI ist nicht sexy», betont der Künstlervermittler. Für ihn bedeutet der Einsatz von KI-Avataren eher einen Rückschritt als eine Innovation. «Die Menschen haben in einer oberflächlichen und zunehmend schnelleren Welt das Bedürfnis nach Realität.» Technisch generierte Models würden ein «völlig unmenschliches Schönheitsideal» vermitteln. Marken müssten «ehrlich, nahbar und authentisch» sein, insbesondere um eine junge Zielgruppe anzusprechen.

Ähnlich sieht es Axl Jansen, der als Modefotograf bereits einige Stars und Models vor der Linse hatte. «Spätestens bei der dritten oder vierten KI-Kampagne wird sich eine gewisse Ermüdung einstellen.» Er vergleicht den aktuellen Hype um KI mit früheren Trends in der Fotografie, die dann durch andere abgelöst wurden. Viele Fotografen der jüngeren Generation würden sogar zur analogen Fotografie zurückkehren. «Und unter uns: Welcher Kunde wünscht sich keine authentischen Bilder, die zudem rechtlich abgesichert sind?»

Topmodel Kendall Jenner als KI-Avatar?

Wem die Rechte an KI-generierten Bildern zustehen, sei unklar, sagt Jansen. Denn eine rechtliche Regelung gebe es in Deutschland nicht. Für Models sind Bildrechte jedoch eine wichtige Einnahmequelle, da sie diese in der Regel für begrenzte Zeiträume verkaufen, sagt Berger. «Viele Kunden möchten aber alle Rechte für immer und überall, was die Modelgagen in die Höhe treibt.» Mit KI könnten Unternehmen aber Gesichter so verändern, dass sie für keine Rechte mehr zahlen müssten.

Ein eigener KI-Avatar könnte es Models ermöglichen, sich mehrmals täglich «zu verkaufen» - und damit auch die Einnahmen zu steigern, erklärt Berger. Denn so wären ihre Gesichter in digitaler Form beim Kunden und sie müssten nicht selbst für Shootings fotografiert werden. Solange die rechtliche Situation ungeklärt sei, mache das jedoch wenig Sinn. Laut Sinervo hätten sie zudem kein Interesse daran, als KI-Model zu «arbeiten», da ihre Exklusivität darunter leiden würde. «Wenn Kendall Jenner plötzlich als KI-Model für eine No-Name-Marke auftaucht, wäre sie schnell nicht mehr das gefeierte Supermodel.»

Kennzeichnungspflicht: Ende des KI-Hypes? 

Laut der Appinio-Umfrage wünscht sich die große Mehrheit der Befragten (81 Prozent) eine klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten. Das unterstützt auch Inken Paland, die sich auf Social Media im Bereich KI spezialisiert hat: «Wir müssen KI-Modelle erkennen und verstehen, dass sie keine echten Menschen sind – denn sie werden uns in Zukunft noch öfter begegnen.»

Sinervo hingegen glaubt, dass mit einer Kennzeichnungspflicht der KI-Hype in der Modebranche schnell abflauen wird: «Das wird den KI-Bildern und dem Image der Marken, die KI einsetzen, einen faden Beigeschmack geben.» Paland sieht das anders: «Menschen neigen dazu, sich gegen neue Technologien zu wehren, bis sie normal werden.» Ihrer Ansicht nach würden KI-Avatare mit der Zeit genauso alltäglich werden «wie lästige Cookies auf Websites».

© dpa ⁄ Evelyn Denich, dpa
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