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Beginnt der Haushaltsstreit der Ampel von vorn?

Das Haushalts-Drama der Ampel-Koalition ist noch immer nicht am Ende. Gutachter halten gleich mehrere Vorhaben für bedenklich. Beginnt ein erneutes Ringen um acht Milliarden Euro?
Bundeshaushalt 2025
Bundeshaushalt 2025

Die Ampel-Koalition muss ihren mühsam erreichten Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 möglicherweise grundlegend nachverhandeln. Zwei wissenschaftliche Bewertungen zu geplanten Vorhaben hätten ergeben, dass «weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig» seien, hieß es im Bundesfinanzministerium. 

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte die Prüfung in Auftrag gegeben, weil es Zweifel gab, ob einzelne Vorhaben der Ampel im Bundeshaushalt für das kommende Jahr verfassungsrechtlich und wirtschaftlich tragbar sind. Durch diese Vorhaben sollte die auch nach den Verhandlungen der Ampel-Spitzen bestehende Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro um die Hälfte reduziert werden. Sollte das nicht gelingen und der Etat trotzdem beschlossen werden, so hatte Lindner gewarnt, drohten Sperren im Haushaltsvollzug.

Lindner-Ministerium bringt Sparen bei Sozialausgaben ins Spiel 

Die Gutachten ergaben nun jedoch rechtliche und wirtschaftliche Zweifel an den Vorhaben. Aus Sicht des Finanzministeriums muss deshalb jetzt erneut über Sparmaßnahmen verhandelt werden. «Auch Maßnahmen zur Stärkung der Treffsicherheit der Sozialausgaben, über die bislang keine politische Einigung erzielt werden konnte, könnten den Handlungsbedarf reduzieren», hieß es in Ministeriumskreisen. 

Die Haushaltsverhandler Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich drei Maßnahmen überlegt, die zusammen acht Milliarden Euro bringen sollten. Dabei ging es um Darlehen an die Bahn und die Autobahngesellschaft sowie bei der Förderbank KfW liegende 4,9 Milliarden Euro aus der Zeit der Gaspreisbremse. Weil man sich während der Verhandlungen allerdings bereits unsicher war, wurden die Pläne verfassungsrechtlich und wirtschaftlich noch einmal geprüft. 

Beirat äußert «erhebliche Zweifel»

Der wissenschaftliche Beirat, unabhängige Berater des Bundesfinanzministeriums, und auch ein Rechtsgutachten warnen nun vor einem Verfassungsbruch. «Der Beirat äußert vor dem Hintergrund der Schuldenbremse an allen drei genannten Maßnahmen erhebliche Zweifel», schrieb der Beirats-Vorsitzende in einem Brief an Lindner, über den zuerst das «Handelsblatt» berichtete. 

Milliarden aus der Gaspreisbremse

Die Nutzung der ursprünglich für die Gaspreisbremse vorgesehenen, aber nicht benötigten Milliarden der KfW galt bereits vor dem Gutachten als riskanteste Maßnahme. Diese Idee weckt Erinnerungen an die im vergangenen Winter vom Bundesverfassungsgericht gekippte Umwidmung von Corona-Krediten im Klima- und Transformationsfonds. 

Nun sieht der wissenschaftliche Beirat «erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, da aus Notlagenkrediten stammende Mittel für den Bundeshaushalt genutzt werden». Das widerspreche nicht nur der Schuldenbremse im Grundgesetz, der Gesetzgeber habe eine Nutzung für andere Zwecke auch explizit ausgeschlossen. 

Auch der Bielefelder Rechtsgutachter Johannes Hellermann sieht erhebliche verfassungsrechtliche Risiken. Er rät dazu, die Mittel nicht zum Stopfen der Finanzierungslücke zu nutzen, sondern lediglich zur Schuldentilgung. 

Darlehen an Bahn und Autobahngesellschaft

Beim Plan, an die Bahn und die Autobahngesellschaft Darlehen statt der geplanten Zuschüsse auszuzahlen, sind die Bewertungen weniger eindeutig. Aus Sicht des Beirats könnten Darlehen an die Autobahngesellschaft gar nicht als sogenannte finanzielle Transaktion gewertet werden - sie müssten also doch auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Das würde der Bundesregierung dann keinen neuen finanziellen Spielraum bringen. 

Auch Darlehen an die Deutsche Bahn könnten nach dieser Einschätzung kritisch sein - allerdings weniger aus juristischen Gründen, sondern mit Blick auf die hohe Verschuldung des Staatskonzerns. Der Beirat hält es deshalb für besser, das Eigenkapital der Bahn zu erhöhen. Dem schloss sich das Finanzministerium an: Statt eines Darlehens solle die Bahn eine Eigenkapitalspritze von bis zu 3,6 Milliarden Euro erhalten. 

Rechtsgutachter Hellermann hält eine Darlehensvergabe an die Deutsche Bahn für verfassungsrechtlich zulässig. Bei der Autobahn GmbH äußert er dagegen Zweifel, ob man mit Sicherheit eine Rückzahlung erwarten könne. Die Autobahn GmbH hat aktuell keine eigenen Einnahmen - es würde also politische Weichenstellungen erfordern, damit sie einen Kredit zurückzahlen könnte. Das Finanzministerium hält diese rechtzeitig vor Verabschiedung des Etats 2025 nicht für möglich. 

Was nun?

In den Etatplänen für das kommende Jahr klafft damit weiterhin eine riesige Finanzierungslücke. Gut neun Milliarden hofft die Ampel allein dadurch auszugleichen, dass die Ministerien am Ende eines Jahres nie alle ihnen zustehenden Mittel auch tatsächlich abrufen. Das ist üblich, denn auch in den vergangenen Jahren blieben regelmäßig Milliardenbeträge übrig. Doch ein Loch von 17 Milliarden so zu stopfen, scheint unrealistisch. So hatte Lindner im «Handelsblatt» bereits angekündigt, keinen Haushalt mit einem solchen Loch beschließen zu lassen. 

Der Finanzminister hatte von Beginn an Bedenken an den Vorhaben geäußert und die Vorschläge dem SPD-geführten Kanzleramt zugeschrieben. Sie galten ohnehin nur als Notlösung, weil die Ampel-Parteien keine gemeinsame Haltung zur Aufnahme neuer Schulden fanden. Vor allem die SPD hatte sich dafür eingesetzt, wegen des Ukraine-Kriegs eine außergewöhnliche Notlage zu erklären und Lücken im Haushalt durch dann erlaubte neue Kredite zu schließen. 

Diese Forderung könnte nun erneut auf den Tisch kommen - auch wenn das Lindner-Ministerium versucht, die Debatte im Kern zu ersticken. Die Option, die Schuldenbremse durch Erklärung einer Notlage auszusetzen, gebe es «verfassungsrechtlich und ökonomisch nicht», wurde in Kreisen des Finanzministeriums sofort betont.

Die CSU warf der Ampel-Regierung Versagen in der Haushaltspolitik vor. «Eine Regierung, die es nicht einmal schafft, einen funktionierenden Haushalt aufzustellen, sollte endlich das Handtuch werfen», forderte Generalsekretär Martin Huber. 

© dpa ⁄ Theresa Münch, dpa
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