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SPD-Chefin: Lindner überschreitet Grenze des Erträglichen

Der Finanzminister hat neuen Gesprächsbedarf zum Haushalt. Jetzt muss er Verantwortung übernehmen, meinen seine Koalitionspartner. Ist der Zeitplan für die Etataufstellung überhaupt noch zu halten?
Bundeshaushalt
Der Streit um den Bundeshaushalt für 2025 könnte neu aufflammen. (Symbolbild) © Oliver Berg/dpa

Das Drama um den Bundeshaushalt 2025 geht in eine weitere Runde - und es droht erneut zur Bewährungsprobe für die Ampel-Koalition zu werden. Nachdem Finanzminister Christian Lindner (FDP) neuen Gesprächsbedarf angemeldet hat, kritisieren seine Koalitionspartner SPD und Grüne das Vorgehen scharf. Dass der FDP-Chef seine Bewertung ohne jede Abstimmung in der Regierung vorgenommen und am Tag des großen Gefangenenaustauschs veröffentlicht habe, «das ist rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenze des Erträglichen in einer Koalition», sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Rande ihrer Sommerreise in Thüringen.

Hintergrund ist die Prüfung mehrerer Vorhaben, mit denen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner die Finanzierungslücke im Haushalt des kommenden Jahres eigentlich um acht Milliarden Euro reduzieren wollten. Zwei Gutachten hatten rechtliche und wirtschaftliche Zweifel an den Vorhaben ergeben - vor allem an dem Plan, ungenutzte Mittel der Förderbank KfW aus der Zeit der Gaspreisbremsen für andere Zwecke im Haushalt zu verwenden. 

SPD: Lindners Bewertung «eigenwillig»

Aus Sicht des Finanzministeriums muss deshalb jetzt erneut über Sparmaßnahmen verhandelt werden. Es seien «weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig», hieß aus seinem Ministerium. Dabei brachte Lindners Haus auch Einschnitte bei den Sozialausgaben erneut ins Gespräch. 

Esken betonte, die Bewertung der Gutachten sei «auch in fachlicher Hinsicht eigenwillig». Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der «Süddeutschen Zeitung». Obwohl das juristische Hauptgutachten etwa Darlehensmodelle bei der Bahn und der Autobahngesellschaft im Kern für möglich halte, vertrete das Finanzministerium die Auffassung, dass verfassungsrechtliche Zweifel überwiegen. «Wenn es rein fachliche Gründe für diese Auffassung gibt, dann müssen diese Fragen innerhalb der Bundesregierung ohne öffentliches Aufheben geklärt werden. Alles andere führt zur Verunsicherung und erweckt den Eindruck, dass hier Spielchen gespielt werden, die dem Ernst der Lage nicht gerecht werden», sagte Mützenich. 

Grüne kritisieren «Kopf-in-den-Sand-Politik»

Der Fraktionschef wehrte sich auch dagegen, das Haushaltsproblem nun von der Regierung auf das Parlament zu verschieben. «Bereits in der Vergangenheit hat sich bei einigen Ressortchefs eine Haltung herausgebildet, Probleme und Ungereimtheiten dem Bundestag zu überantworten, ohne selbst Verantwortung tragen zu wollen», sagte Mützenich. «Ich erwarte daher, dass die Regierung beim neuen Haushalt zu einer kompetenten und einvernehmlichen Entscheidung kommt.»

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf Lindner eine «Kopf-in-den-Sand-Politik» vor. «Ein Finanzminister kann nicht nur Vorschläge verwerfen, er muss Lösungen entwickeln», betonte er. Diese dürften aber auf keinen Fall auf Kosten des sozialen Zusammenhalts oder des Klimaschutzes gehen. Mit den Grünen werde es hier kein Kaputtsparen geben. 

Finanzminister weist Kritik zurück

Lindner verteidigte sich. «Ich bin erstaunt, denn auch Sozialdemokraten in Partei und Bundestag wissen ja, dass es drei Prüfaufträge gab und keine politische Verabredung», sagte der FDP-Chef bei einer Wahlkampfveranstaltung der Brandenburger FDP in Potsdam.

Die Prüfaufträge seien Vorschläge des Kanzleramts gewesen - «die sind verfassungsrechtlich beziehungsweise auch ökonomisch nicht überzeugend, teilweise sogar riskant», sagte er. Lindner warnte vor Gefahren: «Verfassungsrechtliche Risiken können wir aber nicht eingehen, denn wir haben ja schon einmal aufgrund eines Koalitionskompromisses ein Urteil aus Karlsruhe erhalten. Deshalb kann ich alle nur dazu auffordern, sehr sorgfältig mit unserer Verfassung umzugehen.» Der Finanzminister zeigte sich zuversichtlich, machte aber auch deutlich, dass die Koalition noch einen Weg vor sich habe.

Haushalts-Zeitplan in Gefahr? 

Die Opposition brachte angesichts der neuen Turbulenzen eine Verschiebung der Haushaltsberatungen im Bundestag ins Gespräch. «Bis zum 16. August muss die Regierung zeigen, wie sie das 17-Milliarden-Loch stopfen will», sagte der Chefhaushälter der Union, Christian Haase, der «Rheinischen Post». «Andernfalls müssen die Haushaltsberatungen verschoben werden.» Mitte August sollte der Entwurf eigentlich an den Bundestag weitergeleitet werden, da die Parlamentarier mehrere Wochen brauchen, um das umfangreiche Zahlenmaterial vor einer Bundestagsdebatte durchzuarbeiten.

Lindner dagegen sieht keinen Zeitdruck: «Der Haushalt wird nach jetzigem Plan ja erst Ende November dieses Jahres beschlossen werden, insofern ist da jetzt noch viel Zeit, zu schauen», sagte er. 

Auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht betonte aber, die Haushaltswoche im Bundestag sei nicht zu halten. «Natürlich muss jetzt der gesamte Haushalt wieder auf den Tisch und neu verhandelt werden», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Es wäre die nächste Missachtung des Parlaments, mit diesem unseriösen Zahlenwerk in die Haushaltswoche zu gehen.» Anstatt bei Renten und sinnvollen Investitionen den Rotstift anzusetzen, solle ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag durch Friedensverhandlungen in der Ukraine, durch eine deutliche Senkung der Asylbewerberzahlen und eine Rückabwicklung des Heizungsgesetzes gespart werden.

Die Linke warnte die Ampel ebenfalls vor Kürzungen im Sozialbereich - schlug aber eine andere Geldquelle vor. «Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer brächte den Ländern zusätzliche Milliarden für Soziales und Investitionen in die Zukunft, eine angemessene Besteuerung von Übergewinnen und die Schließung von Steuerschlupflöchern würde dem Bund Milliardeneinnahmen bringen», sagte Parteichefin Janine Wissler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. 

© dpa ⁄ Theresa Münch, dpa
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