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Aschaffenburg – eine Stadt ist fassungslos

Aschaffenburg – der Name der Stadt im Norden Bayerns ist zum Synonym für ein beispielloses Verbrechen geworden. Bei einer Trauerfeier versuchen es Politik und Geistliche zumindest mit Trost.
Nach tödlichem Angriff in Aschaffenburg - Trauerfeier
Nach tödlichem Angriff in Aschaffenburg - Trauerfeier
Nach tödlichem Angriff in Aschaffenburg - Trauerfeier
Nach tödlichem Angriff in Aschaffenburg - Trauerfeier

Der Ministerpräsident sagt es, der Landesbischof sagt es. Und auch der Imam der Ahmadiyya Muslim Jamaat, einer muslimischen Gemeinschaft in Aschaffenburg. «Fassungslos» ist das Wort, das die Reden von Markus Söder, Christian Kopp und Zischan Mehmood gemeinsam haben, als sie in der Stiftskirche von Aschaffenburg der Opfer eines unglaublichen Verbrechens vor wenigen Tagen gedenken. 

Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan hatte am Mittwoch einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Vater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Ihm soll nun posthum die bayerische Rettungsmedaille für seine Zivilcourage verliehen werden, wie Söder in seiner Rede sagt.

Weitere Menschen wurden bei dem Angriff schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte Angreifer befindet sich inzwischen in einer psychiatrischen Einrichtung. 

Zivilgesellschaft rückt zusammen

Vier Tage später kommt die Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam zu trauern, sich gegenseitig Trost zuzusprechen. Rund 200 Menschen trauern in der Stiftskirche, im Zentrum der Stadt, darunter Feuerwehrleute und Sanitäter. Im Altarraum des Gotteshauses, abgeschirmt vom Rest der Trauergemeinde, sitzen die Familien der Opfer, Freunde und Angehörige. 

Einige Hundert Menschen sind auf dem Platz davor versammelt, wo der Gottesdienst auf einer Leinwand gezeigt wird. Mit blauen Westen demonstrieren Mitglieder der Gruppe «Muslime für den Frieden», dass ihre Religion keine Gewalt toleriert. Schon tags zuvor hatte die elfjährige Fatima die ganze Stadt und viele darüber zu Tränen gerührt: «Ich bin nicht böse», habe das Mädchen aus Afghanistan unter dem Eindruck der Schreckenstat ihres Landsmannes in ein Mikrofon gesagt, wie Oberbürgermeister Jürgen Herzing berichtet. 

«Keine Instrumentalisierung»

Redner in der Kirche verurteilen nicht nur die abscheuliche Tat – sondern auch diejenigen, die versuchen, sie für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. «Leider wurde diese Tragödie von manchen Gruppen ausgenutzt, um Hass und Spaltung zu fördern», kritisierte Imam Mehmood. 

«Mitgefühl, Solidarität und Zusammenhalt sind wichtiger denn je, denn um uns herum gibt es viele Spalter und Scharfmacher», sagt Mehmood. Auch Oberbürgermeister Herzing warnt vor politischen Trittbrettfahrern. Unmissverständlich, jedoch ohne dessen Namen zu nennen, verweist er auf einen Auftritt des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke, der am Freitag nach Aschaffenburg gekommen war. 

Querdenker unterwegs

Nicht alle folgen dem Aufruf. Das ganze Wochenende sind Querdenker und andere Gruppierungen in der Stadt unterwegs, um ihre Sichtweisen auf das Verbrechen und dessen angebliche Hintergründe und mögliche Ursachen zum Besten zu geben. Zwischen 1.300 bis 1.500 Menschen sind es nach Polizeiangaben bei einer Demonstration wenige Stunden nach der Gedenkfeier. Oberbürgermeister Herzing stellt klar: Die Aufklärung der Tat sei Sache der Polizei - und die mache das ganz hervorragend. 

Ministerpräsident Söder spricht in seiner Rede von einem «sinnlosen, brutalen und verstörenden Verbrechen». Die «Folgen und Konsequenzen» müssten «an anderer Stelle diskutiert werden», sagt er und betont: «Das Gute und das Böse sind keine Frage von Herkunft, Nationalität, Ethnie oder Glauben». Die Tat dürfe nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. «Aufhetzung ist die falsche Antwort.» «Es gibt viele, die in diesen Tagen glauben, Antworten zu haben», sagt Oberbürgermeister Herzing. Aber: «Wir haben keine Antworten.»

«Angst, Fragen, Verunsicherung, Schock»

Der katholische Würzburger Bischof Franz Jung spricht von «Schmerz und Trauer über das, was am Mittwoch geschehen ist, der evangelische Landesbischof von Bayern, Christian Kopp, von «Angst, Fragen, Verunsicherung, Schock».

Auch Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) nahm an der Trauerfeier teil. Zuvor hatte sie gemeinsam mit Söder den Tatort besucht. In dem Park, in dem ein der Junge und der 41 Jahre alter Mann am Mittwoch erstochen wurden, legten beide Kränze nieder. 

«Es ist unfassbar, dass ein kleines Kind umgebracht wird, das am Morgen unterwegs war an einem lustigen Tag, sich vieles überlegt hat, ein ganzes Leben vor sich hatte, dieses Kind ist tot», sagte Söder. «Ein Mann, der helfen wollte, der Zivilcourage gezeigt hat, der sich eingesetzt hat, ist ebenso gestorben. Eine unfassbare Tat an einem scheinbar friedlichen Ort.» 

Glockenläuten zur Tatzeit

Von 11.45 bis 11.50 Uhr, exakt dem Zeitpunkt der Tatzeit am vergangenen Mittwoch, wird die Trauerfeier unterbrochen, die Glocken aller Aschaffenburger Kirchen läuten.

© dpa ⁄ Michael Donhauser und Britta Schultejans, dpa
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