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Linke als «coole Straßenkicker» im Wahlkampf

Die Umfragewerte der Linken sind schwach. Und doch präsentiert sie sich bei einem Parteitag bester Stimmung. Hat sie eine Chance?
Bundesparteitag Linke zur Bundestagswahl
Bundesparteitag Linke zur Bundestagswahl
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Bundesparteitag Linke zur Bundestagswahl
Bundesparteitag Linke zur Bundestagswahl

Die Linke kämpft um ihre Existenz - und präsentiert sich dabei bester Laune. «Wir sind die coolen Straßenkicker in diesem Wahlkampf», rief der Bundesvorsitzende und bekennende St.Pauli-Fan Jan van Aken bei einem Parteitag in Berlin. «Gehen wir rauf auf den Platz, zeigen wir, dass wir angreifen können und dass wir verteidigen können. Gewinnen wir dieses Spiel.» 

Immer wieder jubelten die rund 450 Delegierten, die sich in einem ehemaligen Postbahnhof mit Industriecharme versammelt hatten - nicht nur bei van Aken, sondern auch bei seiner Co-Chefin Ines Schwerdtner und der Abgeordneten Heidi Reichinnek, die mit van Aken das Spitzenduo zur Bundestagswahl bildet. Ungewöhnlich diszipliniert verabschiedeten sie ohne großen Streit das Programm zur Bundestagswahl. Und das ohnehin als «kürzester Parteitag der Geschichte der Linken» geplante Treffen endete überpünktlich - dann aber mit einer begeisterten Zugabe bei der «Internationale».

«Die Linke ist wieder da, sie ist so lebendig wie schon lange nicht mehr», sagte van Aken zum Abschluss. «Unser Ziel ist glasklar: mindestens fünf Prozent und drei Silberlocken. Wir machen das.»

Unter fünf Prozent in den Umfragen

Die Linke versetzt sich also selbst in Euphorie. Doch liegt die Partei fünf Wochen vor der Bundestagswahl in Umfragen bei nur drei bis vier Prozent und damit deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Der Bruch mit Sahra Wagenknecht vor einem Jahr hat sie geschwächt - die Linke sitzt nur noch mit 28 Abgeordneten im Bundestag. Risse im Umgang mit dem Gaza- und dem Ukraine-Krieg hat sie intern nur mühsam gekittet. 

Mut macht sich die Partei, weil sie nach van Akens Worten in den vergangenen Monaten 17.000 Neueintritte verzeichnet hat. Die Linke habe nun wieder mehr als 60.000 Mitglieder, sagte der Vorsitzende. Im Wesentlichen argumentiert die Parteispitze aber: Die Linke sei einfach unentbehrlich. «Wir kommen sicher in den Bundestag, denn noch nie war eine Linke so wichtig wie heute», sagte Schwerdtner.

Gegen die «faschistische Partei»

Schwerdtner teilte in ihrer Rede vor allem nach rechts aus - was auf dem Parteitag hörbar mobilisierte. Sie unterstellte der Union, diese werde nötigenfalls auch mit der AfD zusammenarbeiten. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat dies ausgeschlossen. Schwerdtner sagte jedoch, Merz wolle den Sozialstaat «kurz und klein schlagen». «Und ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass er es am Ende auch mit der AfD durchsetzen wird, ganz egal, was er vor der Wahl behauptet.» 

Die Linken-Chefin nannte die AfD «im Kern eine faschistische Partei» und meinte: «Wer leicht abgewandelte Nazi-Parolen zu seinem Wahlkampfmotto macht, ist eine Nazipartei.» 

«Grüne haben Klimafrage verkackt»

Co-Chef van Aken knöpfte sich vor allem SPD und Grüne vor. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rede im Wahlkampf von einer Mietpreisgrenze, habe sie aber in der Regierung nicht umgesetzt. Auch über eine Vermögenssteuer sprächen SPD und Grüne seit Jahren, doch hätten sie nie geliefert. Die Grünen hätten beim Klimaschutz das Soziale nicht mitgedacht und «deshalb diese ganze Klimafrage verkackt». Nur mit Druck der Linken würden SPD und Grüne soziale Versprechen angehen, meinte van Aken.

Er erklärte einen Mietendeckel erneut zum zentralen Thema. «Wir werden ihn durchsetzen, weil die Menschen ihn brauchen», sagte der Parteichef.

Programm auf mehr als 60 Seiten

Das beschlossene Wahlprogramm enthält auf mehr als 60 Seiten einen ganzen Katalog von Einzelforderungen. Darunter ist die Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Bus, Bahn und Hygieneartikel. Günstigere Energie für Durchschnittsverbraucher soll per «Energie-Soli für Reiche» finanziert werden.

Die Partei will sowohl eine Vermögenssteuer als auch eine Vermögensabgabe und findet «dass es keine Milliardäre geben sollte». Sie ist für höhere Einkommenssteuern für Gutverdiener und eine höhere Erbschaftssteuer. Rente, Kindergeld und Bürgergeld sollen verbessert, der Mindestlohn auf 15 Euro hochgesetzt werden. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland will die Linke verhindern. Die Forderung nach einem sofortigen Nato-Austritt in einem Änderungsantrag fand aber keine Mehrheit.

Das alte Selbstverständnis als Ostpartei erwähnte vor allem der Ostberliner Gregor Gysi. Er meinte, der Osten «war das Stiefkind aller bisherigen Bundesregierungen». Er mahnte: «Es wird Zeit, dass sich eine Bundesregierung dafür mal entschuldigt. Das gäbe einen Schub in Richtung innere Einheit.»

Hoffnung auf Direktmandate

Gysi ist inzwischen 77 Jahre alt - aber bei dieser Wahl eine große Hoffnung seiner Partei. Gemeinsam mit den langjährigen Linken-Politikern Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow hat er die «Mission Silberlocke» gestartet: Alle drei wollen Direktmandate gewinnen. Chancen auf Direktmandate rechnen sich auch drei weitere Linke aus, darunter Parteichefin Schwerdtner. 

Mit drei Direktmandaten könnte die Linke über die sogenannte Grundmandatsklausel mit etlichen Abgeordneten in den Bundestag einziehen, auch wenn die Partei bei den Zweitstimmen unter fünf Prozent bliebe. Das werde gelingen, meinte Bartsch. Keine Stimme für die Linke sei verschenkt.

© dpa ⁄ Verena Schmitt-Roschmann, dpa
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