Was für eine Erscheinung: Die staatliche Figur von 1,90 Meter, Wuschelhaare, Bart und der warme Klang seiner Berliner Straßenschnauze lassen Ronald Zehrfeld auf Anhieb sympathisch wirken – so auch in der neuen Comedyserie "Warten auf'n Bus" (ab Mittwoch, 22. April, 22.30 Uhr, RBB und alle 8 Folgen bis zum Mitte Oktober 2020 hier in der ARD-Mediathek).
Darin spielt Roland Zehrfeld Hannes, "einen Mann wie 'ne Kreuzung aus Schlachteplatte und Zementmischer", wie ihn sein Freund Ralle (Felix Kramer) beschreibt. Die zwei Männer treffen sich auch noch mit Ende Vierzig auf ein Plausch an einer Bushaltestelle irgendwo in Brandenburg. Schließlich war die Endhalteschleife schon immer "dit Tor zur Welt, die verdammte Schnittstelle zwischen Pampa und intelljentet Leben". Es geht eben um wahre Freundschaft, etwas, das Ronald Zehrfeld auch in seinem Leben sehr wichtig ist. Seine langjährigen Freunde nennen ihn übrigens "Ronny".
Ronny, der Judomeister
Eigentlich wollte der im Osterberliner Arbeiterkiez Schönweide aufgewachsene Zehrfeld Lehrer für Sport, Geographie und Biologie werden. Dabei hätte ihm eine glatte sechs in Bio fast das Abitur gekostet. Sport hingegen war schon immer seine Leidenschaft. Mit 11 Jahren gewann er sogar die DDR-Jugendmeisterschaft und träumt von Olympia. Doch die Wiedervereinigung ein Jahr später beendete seine Träume. Mit 12 Jahren war er zu jung, um in den westdeutschen Judokader übernommen zu werden.
Ernst Busch Schauspielschule
Stattdessen brachte ihm ein Theaterworkshop die Schauspielerei näher. Und die Studenten der benachbarten Ernst Busch Schauspielschule weckten sein Interesse: "Wenn die Buschis vom Bahnhof hierhergefahren sind, hat man die gleich erkannt. Die waren anders gekleidet, die sprachen anders in der Eisdiele, die konnten Schiller rezitieren. Ich hatte davon keine Ahnung. Aber für mich waren sie die Helden der Kindheit...", sagt er gegenüber Zeit Campus.
Was folgten, waren die legendären "Ernst-Busch-Chaosparties" und die erste Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule, welche er allerdings in den Sand setzte. Doch Ronny blieb hartnäckig und schaffte es ein Jahr später an der berühmten Schule angenommen zu werden.
Fortan erfindet er sich vor der Kamera ständig neu und wird von den Zeitungen als deutscher Russell Crowe oder neuer Schimanski betitelt. Seine Traumrolle? Hans-Joachim Kulenkampff!
Vorliebe für historische Stoffe und harte Ermittler
Sein Steckenpferd scheint der historische Filmstoff zu sein. Besonders scheinen die 50er Jahre beflügeln sein schauspielerisches Talent. Erst gewann Ronald Zehrfeld den deutschen Schauspielpreis als beste Nebenrolle in "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015) dann bewegte er 2018 die Kinozuschauer in dem autobiographischen Film "Das schweigende Klassenzimmer". Beide Filme spielen in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Auch im TV-Drama "Landgericht" verkörpert er eine historische Figur – den jüdischen Richter Richard Kornitzer, der nach dem Krieg seine verlorene Familie wiederfindet.
Neben seiner Schwäche für echte historische Stoffe, macht der 41-Jährige auch als Ermittler immer wieder eine gute Figur: Im ZDF-Krimi "Dengler" mimt er den harten aber auch empathischen Ex-BKA-Beamten, in Dominik Grafs Krimiserie "Im Angesicht des Verbrechens" und im Kinofilm "Finsterworld" spielt er jeweils einen Polizisten und im Kinofilm "Das dritte Sterben" ermittelt er für den Bundesnachrichtendienst. Besondere Beachtung erlangte er auch als Zielfahnder des LKA in "Zielfahnder – Flucht in die Karpaten", ein Krimi, der auch für die GOLDENE KAMERA 2017 nominiert war.
Bekannt wurde er dem breiten Publikum aber vor allem 2012 durch seine Rolle eines DDR-Arztes neben der GOLDENEN KAMERA-Preisträgerin Nina Hoss im preisgekrönten Drama "Barbara".
Ein Gefühlkoloss
Ein weiterer Titel, der ihm zugeschrieben wird, ist "Gefühlkoloss"- dazu sagt er gegenüber Zeit Campus: "Ich spüre zu viel, nehme zu viel wahr. Manchmal bin ich eine sensible Pussy. Aber ich finde das ganz gut so." Wenn er unsicher ist, hat er sogar Panikattacken. Er schwitzt, bekommt kaum Luft und das dauert dann zehn, fünfzehn Minuten. So lästig das sei, so sehr zeige es ihm aber auch, dass er lebendig sei. Ohne das fühle er sich glatt und kalt.
Dem Berliner "Tagesspiegel" gegenüber sagte er: "Das egoistische Denken gewinnt immer mehr an Terrain, und die eigentlichen Werte gehen verloren." Das möchte er nicht, das Wichtigste sei seine Familie. Zu seinen Eltern führt er eine liebevolle Beziehung und anstatt Zeit auf dem Roten Teppich zu verbringen, ist er lieber Zuhause im Berliner Winsviertel, Prenlzauer Berg bei seiner Freundin und Tochter. Und die beiden haben einen noch schöneren Kosenamen für ihn: "Obelix".