Adolescence ist in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Netflix-Serie. Da ist zum einen die Inszenierung: Jede der vier Episoden läuft ohne Schnitt ab und erzählt so die Geschichte quasi in Echtzeit. Zum anderen ist die Handlung rund um die Familie Miller hochspannend, emotional und dramatisch und die schauspielerischen Leistungen sind bis zum Schluss auf einem extrem hohen Niveau.
Das Ende von Adolescence regt zum Nachdenken an. Ist Jamie (Owen Cooper) schuldig? Wer oder was hat ihn zu dem gemacht, der er am Ende der Serie ist? Hier erklären wir Dir das Ende ganz genau.
Das Ende von Adolescence erklärt: Ist Jamie schuldig?
Die entscheidende Frage nach der Schuld von Jamie klärt Adolescence bereits am Ende der ersten Folge. Auf einem Überwachungsvideo ist deutlich zu sehen, wie der 13-Jährige auf einem Parkplatz sieben Mal auf Katie einsticht. Das lässt nicht nur seinen Vater Eddie (Stephen Graham) aus allen Wolken fallen. Auch den Zuschauer:innen dürften angesichts des schockierenden Twists der Atem gestockt haben.
Eddie-Darsteller und Drehbuchautor Stephen Graham („Bodies“) erklärt in einem Interview die Beweggründe hinter der dramatischen Szene: „Wir wollten, dass das Publikum die gleichen Gefühle empfindet wie Eddie, als er das Video sieht und realisiert, was Jamie getan hat”. Von diesem Moment an geht es nicht mehr darum, ob der Teenager den Mord begangen hat. Vielmehr lautet die Frage, was Jamie zu dieser Tat getrieben hat.
So verwundert es nicht, dass sich Jamie am Ende von Adolescence dazu entschließt, den Mord zu gestehen. Im Telefongespräch mit Eddie erklärt er sein Vorhaben. Eddie versucht noch, seinen Sohn von seinem Plan abzubringen, doch Jamie ist fest entschlossen. Spätestens jetzt müssen Eddie, seine Frau Manda (Christine Tremarco) und seine Tochter Lisa (Amélie Pease) erkennen, dass sie Jamie nicht mehr helfen können.
Die Ursachen für Jamies Handeln erklärt
Niedergeschlagen führen Eddie und Manda ein emotionales Gespräch. Sie fragen sich, wie viel Schuld sie an der Tat ihres Sohnes tragen. Sie erinnern sich an Jamies Kindheit, aber auch an weniger schöne Momente. Jamie hatte sich seinen Eltern gegenüber immer mehr verschlossen und sich nach der Schule regelmäßig in sein Zimmer zurückgezogen.
Eddie hatte versucht, seinen Sohn für interessante Hobbys zu begeistern. Doch Jamie interessierte sich weder für Fußball noch für Boxen. Stattdessen wollte er einen Computer, den Eddie und Manda ihm kauften. Doch sein neues Hobby führte dazu, dass er sich immer mehr von seinen Eltern entfremdete und kaum noch mit ihnen sprach.
In den Episoden zwei und drei von Adolescence werden einige Andeutungen gemacht, die Jamies Motive näher beleuchten. Im Gespräch mit der Therapeutin Briony Ariston (Erin Doherty) wird deutlich, dass Jamie unter einem geringen Selbstwertgefühl leidet. Sie ist der Ausgangspunkt für ein tiefergehendes Motiv, das sich durch die weitere Serie zieht: Toxische Männlichkeit beziehungsweise die damit verbundene Incel-Kultur.
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Das Ende von Adolescence: Incel und toxische Männlichkeit
Incel steht für „Involuntary celibate“ (Unfreiwillig zöllibatär) und beschreibt eine Online-Subkultur, die hauptsächlich aus heterosexuellen Männern besteht, die sich von Frauen abgelehnt fühlen. Sie machen Frauen für ihre Einsamkeit verantwortlich und entwickeln oft einen großen Hass auf das andere Geschlecht, der nicht selten in Gewaltfantasien und mehr endet. Offenbar ist auch Jamie in diese Subkultur geraten, nicht zuletzt durch den Computer, den ihm seine Eltern gekauft haben.
In Kombination mit den Andeutungen, dass Jamie gemobbt wurde, scheint der Teenager immer mehr in die Incel-Kultur und toxische Männlichkeit abgedriftet zu sein. Einen Hass auf Frauen hatte er zwar noch nicht entwickelt. Als Katie (Emilia Holliday) ihn aber provoziert und als Incel outet, rächt sich Jamie auf extreme Weise und bringt sie um.

Im Gespräch mit seiner Psychologin zeigt Jamie (Owen Cooper) zwei Seiten. — Bild: Netflix
Dass Jamie zwei Seiten hat, wird vor allem im Gespräch mit seiner Psychologin Briony deutlich: Auf der einen Seite zeigt sich Jamie schüchtern, respektvoll und nervös. Er will ihr gefallen und lügt, was seine sexuelle Erfahrung betrifft. Auf der anderen Seite rastet er mehrmals aus, baut sich vor Briony auf und bedroht sie so sehr, dass die Sitzung unterbrochen werden muss.
Eddie und Manda fragen sich am Ende von Adolescence, ob sie ihren Sohn hätten retten können. Ob sie ihn vom Computer hätten fernhalten sollen. Es ist der verzweifelte Versuch, dem Internet die Schuld zu geben. Aber: Die gesamte Serie kann als Gesellschaftskritik betrachtet werden. Wahrscheinlich hätten alle mehr tun können, um die Tat zu verhindern. Eddie und Manda hätten ihren Sohn nicht mit den sozialen Medien alleine lassen sollen. Jamie hätte sich seinen Eltern öffnen sollen. Und die Gesellschaft (Schule, Soziale Medien, Politik) müsste Kinder und Jugendliche stärker vor dem Einfluss des Internets schützen. Diese eindringliche Botschaft bleibt am Ende.
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So endet Adolescence
Die letzte Episode von Adolescence zeigt übrigens nicht Jamie, sondern widmet sich ganz der Familie Miller, 13 Monate nach der Verhaftung ihres Sohnes. Die Macher:innen haben sich bewusst dafür entschieden: Graham sagte in einem Interview, dass er Eddie nicht als gewalttätigen Vater, Manda nicht als alkoholkranke Mutter und Lisa als gute Schülerin porträtieren wollte. Kein Familienmitglied trage somit die Schuld für Jamies Verhalten.

Eddie (Stephen Graham), Lisa (Amélie Pease) und Manda (Christine Tremarco) stehen im Fokus der letzten Episode. — Bild: Netflix
In der letzten Szene von Adolescence öffnet Eddie die Tür zu Jamies Zimmer und bricht dort in Tränen aus. An diesem Schauplatz begann die Serie. In der ersten Folge versteckt sich Jamie nach dem Mord unter der Bettdecke. Hier wird auch der Grundstein für den Mord gelegt, als Jamie am Computer der Incel-Propaganda ausgesetzt wird. Am Ende der Serie deckt Eddie Jamies Teddybär zu, gibt ihm einen Kuss und sagt: „Es tut mir leid“.
Dann beginnt der Abspann, der auch eine tiefere Bedeutung hat. Denn Katie-Darstellerin Emilia Holliday singt den Song „Through the Eyes of a Child“ von der Sängerin Aurora. „Katie ist ein Teil der ganzen Serie. Sie war immer bei uns“, kommentierte Regisseur Philip Barantini („Yes, Chef!“) die Entscheidung.
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