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Neue Staffel «Morden im Norden»: Der Albtraum der Kommissare

Im Laufe von 13 Jahren Erfolgsserie haben nicht nur die beiden Hauptdarsteller Sven Martinek und Sven Naujoks an menschlicher Reife gewonnen - auch ihre Rollenfiguren.
Vorabendserie «Morden im Norden»
Den beiden Schauspielern Sven Martinek und Ingo Naujoks wird ihr Alter immer mehr bewusst. (Archivbild) © Daniel Reinhardt/dpa

Bereits seit 2012 zieht die Vorabend-Krimiserie «Morden im Norden» vor allem ein gesetzteres Fernseh-Publikum in ihren Bann. Mehrere Millionen verfolgen montags die Ermittlungen der sympathisch bodenständigen und selten um einen flotten Spruch verlegenen Kommissare Finn Kiesewetter (Sven Martinek) und Lars Englen (Ingo Naujoks) in Lübeck (Schleswig-Holstein) und Umgebung. 

Über den langen Zeitraum haben dabei natürlich nicht nur die Fans vor den Bildschirmen viele Jahre passieren lassen, auch die beiden heute 60 und 62 Jahre alten Schauspiel-Stars. Die Zeit ging auch nicht an ihren Rollenfiguren vorbei, die zunehmend abgeklärter und lässiger auftreten.

Der Alptraum, einsam zu sterben

Damit ändert sich auch die Atmosphäre der immer noch sehr unterhaltsamen und eher unbrutalen, einst aber explizit komödiantisch unter der Überschrift «Heiter bis tödlich» gestarteten Sendungen. Das lässt sich auch heute Abend (18.50 Uhr, das Erste) beim Fall «Die letzte Bestellung» erspüren – in der ersten von 16 neuen Folgen der nunmehr elften Staffel. 

In seiner Villa wurde ein älterer Herr ermordet. Erst nach Wochen fand man den schwulen Mann, der mit Ende 50 seine Familie verlassen hatte, um seinen inzwischen ebenfalls gestorbenen Partner zu heiraten. Grausig nach Verwesung riecht es im Haus, als der Rechtsmediziner Strahl (Christoph Tomanek) und eben auch Kiesewetter und Englen dort im Beisein der Tochter des Toten – nunmehr Alleinerbin - tätig werden.

Gleich zu Anfang zeigt sich Englen tief betroffen. «Mein schlimmster Alptraum – allein zu sterben und niemand merkt, dass man tot ist. Als wärst du nie dagewesen», seufzt der eigentlich längst gestandene und gelassene Ermittler. Und auch wenn Kiesewetter flapsig antwortet, «Also, ich würd‘ das merken», bleibt doch ein Flair von Melancholie. 

Und im Laufe des Falls werden die beiden noch mehrmals damit konfrontiert, dass sie doch älteren Datums sind. Denn es stellt sich schnell heraus, dass jugendliche Mitarbeiter eines Lieferdienstes eine Rolle spielen – und die treiben mit ihren Smartphones mehr als nur Schabernack. Ihre entlarvenden Posts wieder aus den Tiefen des Internets zu ziehen, gelingt nur mit dem Online-Knowhow der neuen Polizeipsychologin Yasmin Ahmadi (Saman Giraud) – der Kiesewetter und Englen zunächst kritisch gegenüberstehen.

Naujoks selbst lebt eher zurückgezogen

Doch Englen muss zugeben: «Was das angeht, sind wir Dinosaurier». Selbstredend wird der Fall gelöst und unter der Regie von Dirk Pientka nach dem Drehbuch von Jan Hinrik und Lina Drews bewährt kurzweilig, aber eben auch ein wenig nachdenklich in Szene gesetzt. 

Und wie ist es derweil um das Seelenleben der beiden Publikumslieblinge bestellt? «Die Thematik ist tatsächlich etwas, das ich auch aus meiner Realität als Ingo Naujoks kenne», sagte Naujoks der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. 

«Neulich etwa habe ich im Krankenhaus einen Freund besucht – ich musste auf dem Flur warten und sah Menschen, die in Betten und Rollenstühlen hin und her geschoben wurden. Da habe ich mich gefragt, wo endest du denn einmal?» Das habe ihn doch melancholisch-menschlich gestimmt, sagte der in Berlin lebende Familienvater, der früher zugegebenermaßen nichts anbrennen ließ. 

Derzeit lebe er ohnehin eher zurückgezogen. «Ich fühle eine Melancholie, eine Art inneren Herbstspaziergang. Bin gerne mal für mich und gehe zum Beispiel auch allein ins Kino. Gerade habe ich "Here“ gesehen, ein neues Filmdrama über die Vergänglichkeit mit Tom Hanks. Es war so ein schöner Abend.» 

Grund für all das sei wohl, meint Naujoks, «eine gewisse Traurigkeit, weil ich mich nun im letzten Drittel des Lebens befinde. Nach hinten raus ist nicht mehr so viel Platz.» Doch immerhin bezeichnet sich der Künstler insgesamt als «lustiger Melancholiker». Und geradezu ein «Brachiosaurus» sei er in Bezug auf das Internet - «das überlasse ich meinem Sohn, der ist 18 und kennt sich aus.»

Suche nach Wissen und Selbsterkenntnis

Sein Kollege Martinek – inzwischen auch bei der ARD-Serie «Die Kanzlei» mit von der Partie - bemüht sich schon eher um IT-Verständnis. «Wir alle müssen natürlich mit der Zeit gehen, denn alles dreht sich nach vorn. Was das Internet betrifft, fühle ich mich schon up to date, gehe aber nicht so weit, dass ich alles verstehen will», sagte der Schauspieler von seinem Zweitwohnsitz auf Mallorca der dpa. 

Doch auch der Vater von sieben Kindern kennt Zeiten der Melancholie. Darum habe er sich intensiv mit dem Thema Persönlichkeits-Entwicklung beschäftigt, bietet sogar als Coach-Seminare an, die die Selbstheilung aktivieren sollen. «Aus meinen gewonnenen Erkenntnissen habe ich Konsequenzen gezogen. Bei mir war es der Abschied von Berlin. Außerdem trinke ich seit mehr als einem Jahr keinen Alkohol mehr. Und ich habe mich von vielen Dingen verabschiedet, die mir nicht mehr guttaten.»

© dpa ⁄ Ulrike Cordes, dpa
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