Im Herbst 2018 startete die erste Staffel "Die Heiland" mit Lisa Martinek in der Titelrolle der blinden Anwältin Romy. Nach dem plötzlichen Tod von Lisa Martinek im Juni 2019 wurden die Dreharbeiten ausgesetzt. Doch dann entschied die ARD, das Format mit Christina Athenstädt und Anna Fischer an ihrer Seite als eigensinnige Assistentin Ada Holländer fortzusetzen.
Zum Auftakt der 2. Staffel (6 neue Folgen ab 28. April, jeweils dienstags um 20.15 Uhr im Ersten) soll Romy Heiland einen seltsamen Fall übernehmen: Raik Hellmich (Marko Dyrlich) sitzt nach einem Geständnis wegen Totschlags im Gefängnis. Doch nun wideruft er seine Aussage. Romy will eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Doch dazu muss sie einige juristische Hürden überwinden. Auch privat kommt sie nicht zur Ruhe: Ben (Peter Fieseler) hat eine neue Freundin, Ada will drei Wochen Urlaub.
Die Serie ist durch ein reales Vorbild inspiriert: die Berliner Anwältin Pamela Pabst, Deutschlands erste blinde Strafverteidigerin. Sie stand Christina Athenstädt bei der Vorbereitung für die Rolle zur Seite. Wie sehr sie von ihr beeindruckt war und warum man blind für Äußerlichkeiten sein sollte, verrät die 41-jährige Schauspielerin im Interview.
Was ist der Reiz an der Rolle der Juristin namens „Die Heiland“?
Christina Athenstädt: Die Rolle ist eine große Herausforderung, weil die Figur als Anwältin arbeitet, obwohl sie blind ist. Pamela Pabsts Kraft und Enthusiasmus haben mich stark beeindruckt. Sie geht ganz oft an ihre Grenzen, traut sich viel und bleibt immer positiv.
Wie schwer war es, in Lisa Martineks Fußstapfen zu treten?
Christina Athenstädt: Dafür brauchte ich Mut, und ich habe lange nachgedacht, ob ich das kann, ob ich es tun sollte und ob ich dafür die Richtige bin. Am Ende war es eine Bauchentscheidung.
Für den Dreh der neuen sechs Folgen haben Sie auch mit Ihrem Ehemann Peter Fieseler vor der Kamera gestanden …
Christina Athenstädt: Genau! Mein Mann spielt den Anwalt Ben Ritter – und ich habe wirklich nicht gewusst, dass er so ein netter Kollege ist.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Christina Athenstädt: Ich hatte einen Mobilitätstrainer, der viel mit Blinden arbeitet. Er hat mir den Umgang mit dem Langstock gezeigt – und wir sind zusammen durch Berlin gelaufen. Dabei habe ich eine Augenbinde getragen. Außerdem war ich mit Pamela Pabst im Gericht sowie in ihrer Kanzlei. Ich habe ihr beim Arbeiten über die Schulter geschaut, und konnte viel von ihrer Energie mitnehmen.
Was hat Sie am meisten an Pamela Pabst beeindruckt?
Christina Athenstädt: Ihre Fröhlichkeit und ihre Direktheit. Sie hat überhaupt keine Scheu, mit ihrer Behinderung umzugehen. Außerdem ist sie unglaublich mutig.
Glauben Sie, dass blinde Anwälte einen siebten Sinn für Dinge entwickeln, die wir Sehenden nicht wahrnehmen?
Christina Athenstädt: Ich glaube, Pamela Pabst hört Dinge, die wir nicht hören – weil sie sich auf Sachen konzentriert, auf die wir uns nicht konzentrieren und die wir deshalb überhören. Und das macht diesen siebten Sinn aus. Und was wir Sehenden im Gesicht und in der Mimik unseres Gesprächspartners wahrnehmen, nimmt sie über die Stimme wahr.
Welche Fälle in der zweiten Staffel finden Sie besonders spannend?
Christina Athenstädt: In der zweiten Staffel gibt es jede Menge spannende Fälle und überaus interessante Mandanten. Besonders spannend finde ich die dritte Folge, in der ein vermeintlicher Wilderer aus der Gesellschaft ausgestiegen ist und sich entschließt, im Wald zu leben. Die Initialzündung für diese Episode war die Tat eines Paars, das im Umland von Berlin ein angefahrenes Wildschwein erlegte und es mit nach Hause nahm. Denn das ist verboten. Der fiktive Mandant ist übrigens nicht der einzige Angeklagte, der sich in der zweiten Staffel gegen eine Vertretung durch Frau Heiland sträubt – weil er keinen Sinn darin sieht.
Was mögen Sie an der zweiten Staffel?
Christina Athenstädt: „Die Heiland“ ist eine Serie mit einer großen Relevanz, weil hinter den juristischen Problemen oft zutiefst menschliche Geschichten stecken – und weil man als Zuschauer obendrein etwas über unser Rechtssystem lernt. Ja, „Die Heiland“ ist wirklich eine gute Unterhaltungssendung mit einem großen Mehrwert.
Und um welche Erfahrung hat Sie jetzt die Beschäftigung mit diesem Projekt persönlich reicher gemacht? Was nehmen Sie mit?
Christina Athentstädt: Dass es wichtig ist, blind für Äußerlichkeiten zu sein – also unvoreingenommen.
Interview: Mike Powelz
Pamela Pabst hat nur ein Prozent Sehkraft, Jura studiert und ist seit 2011 Strafverteidigerin in Berlin. Ihre Fälle inspirierten die Macher der ARD-Anwaltsserie „Die Heiland“. Klar, dass die Serie daher sehr realistisch ist. Für komödiantische Momente sorgt das ungleiche Frauenduo.