Bei dem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Freilassung kritisiert Wikileaks-Gründer Julian Assange die Justiz und den mangelnden Schutz für Journalisten. «Ich bin heute nicht frei, weil das System funktioniert. Ich bin heute frei, weil ich mich des Journalismus schuldig bekannt habe», sagte er in einer Anhörung vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg. «Meine Naivität bestand darin, dass ich an das Gesetz glaubte. Wenn es hart auf hart kommt, sind Gesetze nur ein Stück Papier, und sie können aus politischer Opportunität umgedeutet werden.»
Der Wikileaks-Gründer war Ende Juni nach 14 Jahren juristischen Tauziehens überraschend freigekommen und nach Australien zurückgekehrt. Seither ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nach Jahren in Haft müsse er sich noch an einiges gewöhnen - etwa an das «gruselige» Geräusch von E-Autos oder wie man am besten mit einer Schwiegermutter umgehe, scherzte Assange.
Von 2010 an hatte Wikileaks geheimes Material der Whistleblowerin Chelsea Manning von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht. Die USA warfen Assange vor, damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen als mutigen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht brachte.
Assange bedankt sich bei Unterstützern
Assange hatte sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt. 2019 wurde er dort festgenommen und saß anschließend im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, wo er sich juristisch gegen eine Auslieferung in die USA zur Wehr setzte. Laut Wikileaks war Assange dort 23 Stunden am Tag in Isolationshaft in einer winzigen Zelle. Der Europarat, dem 46 Staaten angehören und der von der EU unabhängig ist, hatte sich in der Vergangenheit immer wieder mit der menschenrechtlichen Situation Assanges auseinandergesetzt.
Der Australier bedankte sich bei seinen Unterstützern und appellierte: «Wir alle sollten uns verpflichten, unseren Teil dazu beizutragen, dass das Licht der Freiheit niemals erlischt, dass die Suche nach der Wahrheit weitergeht und dass die Stimmen der Vielen nicht durch die Interessen der Wenigen zum Schweigen gebracht werden.»