Selten waren sich Spieler und Kritiker so einig: Das Action-Abenteuer «Hellblade» gilt als moderner Klassiker der Videospielgeschichte. Der Kampf der keltischen Kriegerin Senua gegen die nordische Mythenwelt wurde 2017 zum großen finanziellen Erfolg des Studios Ninja Theory und heimste etliche Preise ein.
Mittlerweile gehört das Studio dem Großkonzern Microsoft und bringt nach sieben Jahren einen Nachfolger. Kann «Hellblade II» an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen?
Die etwas andere Actionheldin
Im Mittelpunkt des Spiels steht wieder Senua. Nachdem die keltische Kriegerin durch die Hölle gegangen ist und Göttin Hela besiegt hat, wartet schon das nächste Abenteuer auf sie: Wikinger haben die Menschen ihres Dorfes entführt. Wieder einmal muss Senua ihre inneren Dämonen besiegen und macht sich auf die Jagd.
Nach einem Schiffbruch landet sie an der isländischen Küste und steht plötzlich riesigen Giganten gegenüber, die Land und Leute unterjochen. Gemeinsam mit drei Gefährten wagt sie den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen das namenlos Böse.
Wer bei dieser Geschichte eines der üblichen Action-Spektakel im Stil der erfolgreichen «God of War»-Reihe erwartet, wird enttäuscht. Wie schon im Vorgänger ist Senua keine Heldin von der Stange. Wo andere mutig nach vorn stürmen, wird Senua von Visionen, inneren Stimmen und Depression geplagt. Ihr Kampf gegen das Böse ist immer auch ein Kampf gegen sich selbst.
Das Entwicklungsstudio Ninja Theory ist sich der komplexen Thematik bewusst und hat nach eigenen Angaben erneut mit Psychologen und Betroffenen zusammengearbeitet, um diese psychische Erkrankung glaubhaft darzustellen.
«Hellblade II» ist deshalb ein etwas anderes Action-Spiel. Statt Tempo und Action erwarten die Spielerinnen und Spieler düstere Landschaften und eine melancholische Heldin, die mit sich selbst spricht. Jeder Schritt wirkt schwer und mit jedem Schwerthieb scheint Senua eine Last von den Schultern zu fallen.
So läuft sie teilweise minutenlang durch die Landschaft, nur manchmal unterbrochen von abwechslungsarmen Kämpfen gegen die scheinbar immer gleichen Gegner. Die aufwendig gestalteten Kampfanimationen sorgen nur am Anfang des Spiels für Begeisterung.
Schwertkampf und kleine Puzzlemomente
Das Spiel verzichtet auf die im Genre üblichen Rollenspielelemente. Es gibt keine Entwicklungsstufen, durch die Senuas Kräfte steigen, oder neue Waffen, die sie besser kämpfen lassen. Die Heldin wider Willen konzentriert sich auf ihr Schwert, mit dem sie ihre von Dämonen besessenen Feinde angreift. Wenn sie Angriffe pariert, sammelt sie ihre Kraft für einen besonders tödlichen Schlag.
Abseits der Kämpfe muss Senua bei einigen Rätseln ihre Hirnzellen trainieren, um Wege zu öffnen. Manchmal sind Runen in der Umgebung versteckt, die erst durch die richtige Perspektive sichtbar werden.
An anderer Stelle verändert Senua durch magische Kugeln die Umgebung: Brücken erscheinen aus dem Nichts oder Decke und Boden tauschen ihren Platz. Diese kleinen Puzzlemomente werden im Laufe des Spiels komplexer, bleiben aber frustfrei. Wer sich ein wenig Zeit nimmt, löst jedes Rätsel in wenigen Minuten.
Beeindruckende Spielwelt mit glaubhafter Mimik
All das inszeniert Ninja Theory mit einer audiovisuellen Wucht, die in diesem Spieljahr bisher einzigartig ist. Die Bilder wechseln von traumhaften Landschaften zu Alptraumvisionen und Großaufnahmen, die im Gesicht Senuas ihren ganzen Schmerz deutlich machen.
Besonders die Mimik der Hauptfigur fesselt. Als Vorlage diente die darstellerische Leistung der Schauspielerin Melina Jürgens, die per Motion-Capturing für das Spiel digitalisiert wurde. Selten wurde psychischer Schmerz in einem Videospiel so glaubhaft dargestellt.
Auch die Soundkulisse überzeugt: Der Wind rauscht und im Hintergrund sind ständig Geräusche zu hören. Die hervorragend vertonten Dialoge zwischen Senua und ihren inneren Stimmen runden das eigenwillige Abenteuer ab. Allerdings nur auf Englisch - wer alles mitbekommen will, muss sich auf deutsche Untertitel verlassen.
Spannend: Nach dem Durchspielen kommentiert einer von Senuas Gefährten die Handlung und eröffnet neue Perspektiven auf die Gefühlswelt der Figuren.
Fazit: Story vor Action
«Senua's Saga: Hellblade II» ist ein Spiel gegen den Trend. Es ist kein großes Spektakel, sondern ein Intermezzo für Spielerinnen und Spieler, denen Story lieber ist als Action. Ein audiovisueller Genuss, der spielerische Abwechslung oder Herausforderungen vermissen lässt. Statt Tempo stehen die Geschichte und Psyche der Hauptfigur im Mittelpunkt. Es ist ein intensiver Trip in das dunkle Herz einer Kriegerin. Spannend und emotional, aber nach rund sechs Stunden Spielzeit viel zu schnell vorbei.
«Senua's Saga: Hellblade II» von Ninja Theory, veröffentlicht von Microsoft. Spielbar auf Windows, Xbox Series und Geforce Now. Es kostet rund 50 Euro. USK ab 18 Jahren. Das Spiel ist im Xbox Game Pass enthalten.