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«Der beschissenste Platz» statt Judo-Gold: Wagner enttäuscht

Große Enttäuschung für die deutsche Fahnenträgerin: Erst platzt der Gold-Traum, dann verliert Anna-Maria Wagner auch den Kampf um Bronze. Eine Chance auf eine Medaille hat sie in Paris aber noch.
Paris 2024 - Judo
Paris 2024 - Eröffnungsfeier
Paris 2024 - Judo

Mit geschlossenen Augen lag Anna-Maria Wagner auf der Judo-Matte und biss sich tief enttäuscht in die Hand. Statt sich den großen Traum vom Olympiasieg zu erfüllen, blieben für die deutsche Fahnenträgerin nach der dramatischen Niederlage im Kampf um Bronze nur der ganz große Frust und Tränen. «Mein Ziel war Gold, aber am Ende des Tages wollte ich einfach nur mit einer Medaille nach Hause», sagte Wagner schluchzend. «Ich glaube, der fünfte Platz ist der beschissenste Platz, den man haben kann.»

Die zweimalige Weltmeisterin verlor ihren Kampf um Bronze in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm gegen die Chinesin Ma Zhenzhao im Golden Score. Zuvor war durch die Halbfinal-Niederlage gegen die Weltranglistendritte und frühere Weltmeisterin Inbar Lanir aus Israel bereits die Chance auf Gold dahin gewesen.

Mit wild entschlossenem Gesicht stand Wagner danach vor dem kleinen Finale im Tunnel und beschwor: «Ich hol' die Medaille, ich zieh' das Ding durch, von Anfang bis zum Ende». Doch nachdem es in den ersten vier Minuten keine Wertung gegeben hatte, wurde Wagner nach zwölf Sekunden im Golden Score schwer von der Chinesin erwischt und landete auf dem Rücken. «Unsere Sportart ist wunderschön. Es kann eine Sekunde für dich sein, es kann eine Sekunde gegen dich sein. Aber ich habe eine Sekunde geschlafen», sagte sie zerknirscht.

Wagner, die bei der Eröffnungsfeier gemeinsam mit Basketball-Star Dennis Schröder die deutsche Fahne getragen hatte, war mit großen Ambitionen nach Paris gereist. Drei Jahre, nachdem sie in Tokio im Einzel und mit der Mannschaft jeweils Bronze geholt hatte, nahm sie Edelmetall wieder fest ins Visier. Eine weitere Chance hat sie in Frankreich noch im Mixed-Team-Event am Samstag. «Ich werde ab morgen bereit sein, es wäre schön, wenn wir trotzdem mit einer Medaille nach Hause gehen», sagte Wagner. Nach dem Mannschaftswettbewerb wolle sie keinen Judoanzug mehr anziehen, kündigte sie an.

Bislang eine deutsche Judo-Medaille

Der Deutsche Judo-Bund steht bei den Spielen in Frankreich damit weiter bei einer Medaille. Miriam Butkereit hatte am Mittwoch Silber in der 70-Kilogramm-Klasse gewonnen.

Wagner setzte sich in der Champ-de-Mars-Arena erst gegen die für Guinea startende Leipzigerin Marie Branser, dann gegen die Japanerin Rika Takayama durch. Nach der Halbfinal-Niederlage gegen Lanir konnte sie aber auch im Bronze-Kampf nicht mehr zurückschlagen.

Mit der deutschen Fahne über die Seine

Die Eröffnungsfeier vergangenen Freitag war für Wagner ein erstes großes Highlight der Spiele. Als sie erfahren hatte, dass sie die deutsche Fahne tragen würde, war sie in Freudentränen ausgebrochen. Ein «tolles Erlebnis» sei das gewesen, sagte sie nach der großen Show auf der Seine. Sie habe die Atmosphäre sehr genossen.

Beeindruckender Umgang mit mentalen Problemen

Wagner gilt über ihren Sport hinaus als Vorbild. Neben ihren Erfolgen brachte ihr auch der offene Umgang mit ihren mentalen Problemen viel Respekt ein. Nach den Spielen in Tokio 2021 war sie in ein psychisches Loch gefallen, sowohl körperlich als auch geistig erschöpft gewesen. Corona erschwerte die Situation zusätzlich. Die Ausnahmeathletin dachte über ein vorzeitiges Karriereende nach.

Sie habe viel geweint und tagelang im Bett gelegen, berichtete Wagner in mehreren Interviews. Sie habe sich bewusst dazu entschieden, ihre post-olympische Depression öffentlich zu machen, erklärte sie. Das sei für sie ein Zeichen von Stärke. Familie, Freunde und ein Sportpsychologe halfen ihren aus dem Tal heraus, Wagner kämpfte sich auch in der Judo-Welt wieder ganz nach oben.

Mit dem Gewinn ihres zweiten WM-Titels löste Wagner, die in ihrer Gewichtsklasse national mit der starken Alina Böhm konkurriert, im Mai in Abu Dhabi spät das Olympia-Ticket. Nun verpasste sie es, ihre außergewöhnliche Reise der vergangenen Jahre mit einer weiteren Medaille in Paris zu krönen.

© dpa ⁄ Christoph Lother und Florian Lütticke, dpa
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