Die Verneigung von Elena Semechin in Richtung Publikum hätte eigentlich umgekehrt sein müssen. Die sehbehinderte Ausnahmeschwimmerin stellte bei den Paralympics über 100 Meter Brust nicht nur einen Weltrekord auf, sondern zeigte sich nach erfolgreicher Chemotherapie und Bestrahlung nach einem Hirntumor besser als je zuvor. «Ich habe auch mir gezeigt, dass man aus solchen Situationen herauskommen kann, wenn man Wünsche und Träume hat und dafür kämpft», erklärte die 30-Jährige.
Kurz nach dem Paralympics-Gold in Tokio vor drei Jahren kam die Diagnose Krebs - ein Tumor im Hirn. Eine Operation sei nötig mit anschließender Therapie, hieß es. Zuvor heiratete sie noch ihren Freund und Trainer Phillip Semechin. Bereits wenige Tage nach der Therapie war die gebürtige Kasachin wieder im Training. «Ich hätte nie gedacht damals, dass mein Trainer aus mir, einem sportlichen Wrack, eine Sportlerin macht, die dann auch einen Weltrekord schwimmen kann», erklärte sie.
Journalist erzählte ihr vom Weltrekord
Am Donnerstagabend schwamm sie nicht nur der Konkurrenz davon, sondern knackte auch den Weltrekord: 1:12,54 Minuten benötigte sie im Becken der La Défense Arena. «Ich habe erst von Journalisten erfahren, dass es geklappt hat», sagte sie. Die Anzeigetafel kann Semechin nicht sehen. Sie besitzt nur noch eine Sehfähigkeit von rund zwei Prozent.
Freudestrahlend nahm sie Gold entgegen und wollte diesen Triumph auch für eine Botschaft nutzen. «Vielleicht kann ich anderen Menschen zeigen: Es kann so viel passieren im Leben. Wir haben aber in der Hand zu sagen, dass man sich davon nicht unterkriegen lässt», betonte Semechin.
Ziel Paralympics in LA 2028
Zwei Paralympics-Goldmedaillen hat sie auf ihrem Konto, den Weltrekord erobert und den Krebs vorerst zurückgedrängt. Was soll da noch kommen? «Ich schließe Los Angeles nicht aus», erklärte sie. Dort finden 2028 die nächsten Paralympics statt. «Es steht auf meiner Liste», sagte Semechin.