Schon lange bevor Léon Marchand die große olympische Bühne betritt, wird es laut. Sehr laut. In einer Ecke der riesigen La Défense Arena geht es los und plötzlich singen mehr als zehntausend Menschen die französische Nationalhymne. Begleitet von ohrenbetäubenden «Allez Léon»-Rufen steigt der Ausnahmeschwimmer auf den Startblock, springt für seine Gold-Mission ins Wasser.
Olympiasieger über 400 Meter Lagen ist Marchand schon, mehr Gold soll folgen. Für Marchand machen seine Landsleute Stimmung, wie man sie sonst fast nur vom Fußball kennt. Doch nicht nur für ihn. Die Olympischen Spiele werden immer mehr zu einer einzigen großen Sportparty in Blau, Weiß und Rot. In Deutschland würde man wohl von einem Sommermärchen sprechen.
Anruf des Präsidenten
Olympia hat Paris fest im Griff - und damit irgendwie auch Frankreich. Welche Bedeutung das Spektakel zwischen Eiffelturm, Place de la Concorde und Versaille hat, zeigt unter anderem ein kurzer Anruf. Nach Marchands furiosem Goldrennen über 400 Meter Lagen klingelte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron höchstpersönlich beim 22-Jährigen durch. «Er hat gesagt, dass er das Rennen mit seiner ganzen Familie verfolgt hat und alle geschrien haben, als ich gewonnen habe», berichtete Marchand.
Wenn er schwimmt, wird die La Défense Arena zur Léon-Marchand-Arena. Die Halle ist eigentlich ein Rugby-Stadion - umgebaut zur Kathedrale des Schwimmsports. Rugby gehört zu den beliebtesten Sportarten in Frankreich, wird bei Olympia im Stade de France gespielt, dem größten Stadion des Landes.
Gold-Nachricht sorgt für minutenlange Gesänge
Beim Olympiasieg des französischen Nationalteams in der 7er-Variante des Sports waren fast 70.000 Zuschauer live dabei. Der Triumph der Mannschaft um Starspieler Antoine Dupont ließ die Fans sogar in anderen Arenen feiern. Als die Gold-Nachricht durchgegeben wurde, stimmten die Fans auf den Tribünen in der Handballhalle minutenlang Gesänge an und jubelten. Unten spielte Deutschland gegen Schweden.
Nach Wochen politischer Unsicherheit rund um die Parlamentsneuwahl präsentieren sich viele Französinnen und Franzosen bei den Spielen feierfreudig, gelöst und stolz auf Sportler und Nation. Beim Beachvolleyball-Spiel von Laura Ludwig und Louisa Lippmann gegen die Französinnen Alexia Richard und Lézana Placette stimmten die Fans in einer Pause am Eiffelturm spontan die Marseillaise an. Auch der Klassiker «Les Champs-Élysées» und das traditionelle «Allez les Bleus» sind jetzt schon Olympia-Hits.
Internationale Party-Stimmung
Die Stimmung in den Arenen ist anders als bei Spielen oder großen Turnieren der einzelnen Sportarten. «Bei den French Open ist die Atmosphäre sehr, sehr Tennis-spezifisch. Die Leute kommen halt zum Tennis schauen», beschreibt Tennisstar Alexander Zverev die Atmosphäre. «Hier habe ich das Gefühl, es ist ein diverses Publikum, was einfach die Olympischen Spiele schauen möchte. Es ist eine Super-Atmosphäre, es ist eine Party-Stimmung.»
Dazu tragen zahlreiche internationale Fans bei. Drei Jahre nach den Corona-Spielen von Tokio verbinden Amerikaner und Australier Olympia mit einem Europa-Trip, feiern gemeinsam mit partywütigen Iren und Franzosen die Auftritte ihrer Helden. Die Kneipen rund um die Arenen sind oft noch lange nach den Wettkämpfen voll. Auf großen Leinwänden und Fernsehern im Freien laufen die Höhepunkte des Tages. Bei der Medaillenvergabe erheben sich Tausende, lauschen respektvoll der Hymne, würdigen die Leistungen der Athleten an Land und im Wasser.
«Ich hatte Gänsehaut. Ich war stolz, ich selbst zu sein und Franzose zu sein», sagte Schwimm-Held Marchand zu seinen Gefühlen nach dem ersten Olympiasieg. Die ausgelassene Stimmung rund um seine Wettkämpfe, aber auch bei den anderen Becken-Rennen, begeistert auch die deutschen Schwimmer und Schwimmerinnen. «Es ist richtig cool. Man nimmt das im Callroom schon wahr, wie die abgehen», sagte Freistilschwimmerin Isabel Gose. «Auch bei den Vorläufen schon. Es ist wirklich eine ganz, ganz tolle Stimmung.»