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Wer sorgt für Ordnung? Debatte über die EM-Sicherheit

Nach etlichen Zwischenfällen verschärft sich die Debatte um die Ordnungskräfte bei der Fußball-EM. Ein Video aus Frankfurt schockiert die Fans.
Ordner und ein Flitzer
Polizei vor dem Spiel zwischen Deutschland und Dänemark

Tausende Menschen in neongelben oder orangefarbenen Warnwesten sichern täglich die Stadien und Fanfeste der Fußball-EM. Sie kontrollieren Tickets, Akkreditierungen, Rucksäcke, Taschen, sie weisen den Weg zum Platz und Ausgang, sollen schützen. Nach etlichen Zwischenfällen, zuletzt mit gewaltbereiten Ordnern in der Frankfurter EM-Arena, mehren sich aber Zweifel: Ist jeder, der als Sicherheits- oder Ordnungskraft eingestellt ist, wirklich geeignet? Wer kontrolliert die, die kontrollieren? Und wer trägt die Schuld an den Sicherheitspannen?

Nach dem Achtelfinale zwischen Portugal und Slowenien war ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie Ordner auf einen Fan einprügeln und eintreten, ein weiterer wird auf dem Boden fixiert. Der Ausschnitt ist kurz und verwackelt, dennoch ist eindeutig, dass das Verhalten der Sicherheitskräfte mit Professionalität nichts zu tun hat. Die Frankfurter Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung. Wie es dem geschlagenen Fan geht, ist offen.

Bei den öffentlichkeitswirksamen Zwischenfällen zuvor gab es zwar keine Opfer, dafür aber die Frage, was gewesen wäre, wenn andere Menschen die Sicherheitslücken ausgenutzt hätten - solche, die Leid zufügen wollen. Bei der Frage nach der Schuld scheint es größere Differenzen auf politischer Ebene zwischen der Europäischen Fußball-Union UEFA und dem Bundesinnenministerium zu geben.

Falscher «Albärt» und ein «Roofer» 

Beim Eröffnungsspiel in München hatte sich ein Webvideoproduzent in einem Kostüm des Maskottchens «Albärt» und mit gefälschter Akkreditierung eingeschlichen. Der Youtuber veröffentlichte Videos von seinem Vorgehen und gewann an Popularität. Beim deutschen Achtelfinale gegen Dänemark war ein sogenannter Roofer unter das Dach des Dortmunder Stadions geklettert, wahrscheinlich um besondere Fotos zu machen wie zuvor von anderen hohen Gebäuden. In etlichen Spielen waren Fans auf den Rasen gelangt, um ihren Stars ganz nah zu sein. In allen Fällen wäre der Ordnungsdienst verantwortlich gewesen, das zu verhindern.

«Die gesetzliche Vorgabe ist eine rein theoretische Unterrichtung im Klassenzimmer der Industrie- und Handelskammer - und die ist nicht geeignet für den Schutz von Veranstaltungen», sagte Sicherheitsexperte Harald Olschok der Deutschen Presse-Agentur zur Ausbildung der Sicherheitskräfte. Es ist eine gewaltige Zahl an Menschen, die für die Fußball-EM gesucht und eingestellt wurden. 

Allein bei den Spielen kommen pro Partie zwischen 800 und 1300 Helfer zum Einsatz. Zwischen reinem Ordnungs- und dem Sicherheitsdienst wird im Detail unterschieden, auch in der Qualifizierung durch die Industrie- und Handelskammer. Geregelt ist das in § 34a der Gewerbeordnung. Die Polizei ist im Stadion auch vor Ort, hat aber andere Zuständigkeiten.

«Die völlig falsche Qualifizierung»

Beauftragt werden Unternehmen mit Erfahrung in der Branche, und die suchen dann Hilfskräfte. Oft braucht es die einfache «Unterrichtung» nach § 34a, je nach Sicherheitsbereich auch die umfangreichere «Qualifizierung». Speziell die «Unterrichtung» nennt Olschok «die völlig falsche Qualifizierung für diese spezielle Tätigkeit».

Das Sicherheitspersonal müsse für eine Woche das Unterrichtungsverfahren durchlaufen. Dem Personal werde zwar beigebracht, was die Rechte und Pflichten des Sicherheitspersonals sind. «Aber da findet sich mit keinem Satz das Thema: Wie verhalte ich mich in einem Stadion in Dortmund oder München?», bemängelte Olschok. Der Honorarprofessor für Sicherheitswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin schlägt eine praktischere Ausbildung an den Einsatzorten für das Sicherheitspersonal vor.

UEFA teilt die Kritik

Die Europäische Fußball-Union UEFA, als Organisator im Dach zuständig für die Sicherheitskräfte, stimmt der Kritik zu, teilt sie sogar. Der Verband selbst sei mit der Lösung, die den Organisatoren «von behördlicher Seite auferlegt wurde, nur bedingt einverstanden». Die gesetzlichen Anforderungen würden «auf sehr alte Gewerbeordnungen» zurückgehen, schrieb die UEFA auf dpa-Anfrage. «Dies ist - aus unserer Sicht - nachweislich nicht geeignet, um Stewards auf ihre konkreten Aufgaben im Rahmen von Fußballspielen vorzubereiten.»

Der Verband verwies auf das Qualifizierungsprogramm des Deutschen Fußball-Bundes für Ordner (QuaSOD), das über zehn Jahre «systematisch weiterentwickelt und gefördert» worden sei. «Leider» sei es trotz der Unterstützung aller Sicherheitsexperten und der UEFA nicht zur rechtlichen Anerkennung für QuaSOD auf politischer Ebene gekommen. «Infolgedessen gibt es immer noch eine zusätzliche, zeitaufwändige und unpraktische gesetzliche Anforderung, die eine der Hauptursachen für den Fachkräftemangel im Sicherheitsdienst und im Stewarding ist.»

Olschok sieht die EM trotz der jüngsten Pannen als sichere Veranstaltung an - gerade in Anbetracht der vielen Millionen Menschen, die bereits unterwegs waren. Sicherheitslücken könne man nie gänzlich ausschließen. «Wichtig ist es, aus Vorfällen wie diesen Konsequenzen zu ziehen und daraus zu lernen», sagte er. In den meisten Fällen hatte die UEFA angekündigt, die Sicherheitslücken überprüfen und schließen zu wollen.

© dpa ⁄ Jan Mies und Philip Dulian, dpa
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