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Forscher Jahre nach Unglück: «Gleichen Respekt wie vorher»

In Deutschlands tiefster Höhle verunglückt ein Forscher schwer. Die glückliche Rettung am 19. Juni 2014 sorgt für Schlagzeilen. Der Forscher hat alles gut überstanden. War er danach noch einmal in einer Höhle?
Rettungseinsatz für Höhlenforscher
Einsatzkräfte stehen am Untersberg am Einstieg der Riesending-Schachthöhle bei einem Container. © Tobias Hase/dpa/Archivbild

Sogar seinen Helm hat Johann Westhauser wiedergefunden. Jahre später, tausend Meter unter der Erdoberfläche. Der Helm war fast unversehrt. Vor zehn Jahren erlitt der Höhlenforscher in Deutschlands tiefster Höhle fernab von medizinischer Hilfe ein Schädel-Hirn-Trauma, als sich ein Lehmbrocken oberhalb löste und herabstürzte. Der Helm konnte die Wucht nur wenig dämpfen. Ein internationales Helferteam mit über 700 Beteiligten war tagelang im Einsatz. Es war nicht klar, ob Westhauser überleben würde. Elf Tage nach dem Unfall wurde er dann aus der extrem schwer zugänglichen Riesending-Schachthöhle am Untersberg bei Marktschellenberg im Berchtesgadener Land gerettet - am 19. Juni 2014. Für Mediziner war das ein kleines Wunder.

Natürlich ist Westhauser danach wieder in die Höhle geklettert. Mehr als ein halbes Dutzend Mal war er seither in der Tiefe und hat mit den Kameraden von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt die Forschungen fortgesetzt. Und: «Wir haben die Unfallstelle noch aufgeräumt.» Vier Jahre später fand er dort persönliche Dinge, Kleidung, Ausrüstung darunter eben auch den Helm. Der passionierte Höhlenforscher, der im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Techniker am Institut für Angewandte Physik tätig ist, gehörte zu den Ersten, die nach der Entdeckung 1996 ab etwa 2002 die Riesending-Schachthöhle erkundeten.

Er habe vor ihr «den gleichen Respekt wie vorher», sagt er heute. «Ich habe alles gut überstanden. Ich habe keine schlechte Erinnerung.» Sein Gehirn habe den Unfall «nicht gespeichert». Erinnerungslücken sind Zeichen eines Schädel-Hirn-Traumas. «Es sind nur kleine Fragmente an Erinnerungen vorhanden», sagt Westhauser. «In den letzten Passagen vor dem Ausstieg hatten die Ärzte Angst vor dem Bergungstod.» Dieser trifft Verletzte manchmal nach langer Zeit in kalter Umgebung. Er selbst habe aber gedacht: «Jetzt ist alles gut und ich muss jetzt nichts mehr machen.»

Hunderte Helfer

An der spektakulären Rettung waren mehr als 700 Helfer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Kroatien beteiligt, 200 von ihnen auch in der Höhle. Nur wenige sind den Verhältnissen dort gewachsen. Menschen über Deutschlands Grenzen hinaus verfolgten die Aktion. Reporter reisten von weither an.

Tonnenweise Material wurde zum Höhleneingang geflogen. Der Weg zum Unfallort wurde mit Fixseilen versichert, Metallstifte wurden als Tritte in den glitschigen Fels gebohrt. Die Helfer leiteten Gischt aus Wasserfällen mit Planen ab, räumten loses Geröll weg. Aber Steinschlag ist nie ausgeschlossen.

Als Westhauser auf einer Trage durch die Gänge und Schächte geschoben wird, schützt ein weißer Helm mit Visier seinen Kopf. Was es für ein Helm war, könne er nicht sagen, erinnert er sich. Aber: «Er war bequem.» Am 19. Juni, elf Tage nach dem Unfall, hieven die Helfer ihn über den letzten senkrechten Schacht ans Tageslicht.

Unfall nicht ohne Konsequenzen

Seither ist die Höhle mit einem massiven Stahlgitter verschlossen, um Ungeübte am Einstieg zu hindern. Wer hinein will, muss das bei der Gemeinde Bischofswiesen beantragen. Fünf bis sechs Tage dauern die Exkursionen der Cannstatter Forscher meist. Inzwischen nehmen sie das Funksystem Cave-Link - eine Art Höhlentelefon - mit. «Wir haben einiges dazugelernt.»

Bei der Bergwacht heißt es, als Konsequenz sei die nationale und europäische Zusammenarbeit gestärkt und die Verbindung zwischen Höhlenforscher und Höhlenrettern intensiviert worden. 2023 übten an die hundert Höhlenretter im Chiemgau den Ernstfall. Es gebe eine engere Anbindung von den Spezialisten für außergewöhnliche Situationen, sagt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. «Dieser Einsatz war nahezu in allen Belangen besonders, vom Ort, der Dauer, der Anzahl der beteiligten Kräfte. - Insbesondere die Leistungsfähigkeit einer internationalen Zusammenarbeit sollte uns in der Erinnerung bleiben.»

Der Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher legte nach dem Unfall einen neuen Solidaritätsfonds für Betroffene auf, um diese besser unterstützen zu können, wie die Vorsitzende Bärbel Vogel sagt.

Besondere Gefahren

Immer wieder verunglücken Menschen in Höhlen. Steinschlag, Kälte, mangelnde Orientierung und durch Wasser abgeschnittene Rückwege sind besondere Gefahren. Für Schlagzeilen sorgte ein Unglück 2018 in Thailand, als zwölf junge Fußballer und ihr Trainer nach heftigem Regen eingeschlossen wurden. Bei der Rettungsaktion, die sich über 17 Tage hinzog und an der rund 1000 Menschen beteiligt waren, starb ein Retter. Die Gefahr für das Leben der Helfer war auch am Untersberg ein Thema - das allerdings hinter den Kulissen verhandelt wurde.

Westhauser hatte direkt nach der Rettung von der Intensivstation des Klinikums Murnau aus in einer Videobotschaft Rettern und «allen, die mir sehr intensiv geholfen haben» gedankt.

Forschung geht weiter

Mit den Cannstatter Kameraden hat Westhauser seither gut sechs Kilometer neuer Gänge erforscht. Die Forscher wollen etwa herausfinden, ob es eine Verbindung zum Gamslöcher-Kolowrat-Höhlensystem auf österreichischer Seite gibt. «In diese Richtung suchen wir weiter. Wir wollen mehr verstehen, wie die Höhle verläuft», sagt Westhauser. Sie sammeln auch Material für wissenschaftliche Forschungsarbeiten. Sedimente etwa, deren Zusammensetzung Aufschluss geben kann über den Eintrag von Saharastaub oder Schadstoffe. Diese können rasch durch den Berg gespült werden und das Grundwasser im Tal verunreinigen.

In Kürze feiert Westhauser seinen 64. Geburtstag. «Die Ausdauer ist nicht das Thema. Aber ich bin einfach langsamer», berichtet er. Noch schafft er die anstrengenden Touren in die Riesending-Schachthöhle. Wenn das nicht mehr geht «muss ich vielleicht auf kleinere Höhlen umsteigen».

© dpa ⁄ Sabine Dobel, dpa
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