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Immer mehr Opfer von Cybermobbing - Was hilft Betroffenen?

Eine aktuelle Studie zeigt: Die Zahl der jungen Menschen, die Opfer von Diffamierung und Schikane im Netz werden, ist erneut gestiegen. Schulen und Eltern sind häufig mit dem Problem überfordert.
Cybermobbing
Viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind von Cybermobbing betroffen. (Symbolbild) © Julian Stratenschulte/dpa

Jugendliche sind hilflos ausgeliefert - und Schulen überfordert: Einer aktuellen Erhebung zufolge sind fast ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Das entspricht mehr als zwei Millionen Kindern und Jugendlichen. Für die aktuelle «Cyberlife»-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse wurden zwischen Mai und Juni dieses Jahres 4.213 Schülerinnen und Schüler, 637 Lehrer und 1.061 Erziehungsberechtigte repräsentativ nach Bundesländern online befragt. 

Anteil von Mobbing-Opfern seit 2017 deutlich gestiegen

Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 20 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt haben, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2022 um 1,8 Prozentpunkte auf aktuell 18,5 Prozent gestiegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht. Unter Cybermobbing fällt nach Angaben des Bundesjugendministeriums «die Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien». 

Besonders betroffen: Teenager im Alter von 14 bis 17 Jahren. Dabei sei die Schule häufig «das Spielfeld für Täter», sagt der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest. Wirksame Maßnahmen gebe es häufig nicht - obwohl die Täter oft identifizierbar seien. 

Auch 63 Prozent der befragten Eltern gaben an, den oder die Täter zu kennen. Fast ebenso viele sagten, dass diese Personen direkt aus der Klasse ihres Kindes stammten. Und dennoch seien Eltern oft «überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion», heißt es als Fazit dazu in der Studie.

Jeder vierte Betroffene berichtet von Suizidgedanken

Am häufigsten berichten betroffene Kinder und Jugendliche (78 Prozent), dass sie online beschimpft oder beleidigt wurden. Etwa 53 Prozent wurden demnach Opfer von Lügen oder Gerüchten. In diesem Fall sind Mädchen etwas stärker betroffen als Jungen. Was die Experten besonders alarmiert: 13 Prozent gaben an, aus Verzweiflung schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen zu haben. Mehr als jeder vierte Betroffene habe Suizidgedanken geäußert (26 Prozent). Das entspreche in absoluten Zahlen mehr als 500.000 Schülern, erklärte Leest. «Eine sehr erschreckende Zahl, die in den letzten Jahren leider weiter gestiegen ist.» 

Was die Studie auch zeigt: Eltern machen sich immer häufiger Sorgen und suchen Rat. 89 Prozent (plus 3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2022) gaben an, sich mit Freunden und Bekannten über die Gefahren im Netz auszutauschen, 81 Prozent recherchierten im Internet - fünf Prozentpunkte mehr als 2022. Weniger als die Hälfte (49) fühlt sich gut über strafrechtliche Folgen von Hass, Hetze und Demütigung im Netz informiert.

Lehrer befürchten Überbelastung durch soziale Medien

Auch Lehrkräfte nehmen den Daten zufolge eine verschärfte Lage wahr. 84 Prozent erklärten, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal mit Cybermobbing an ihrer Schule in Berührung gekommen zu sein - das waren 17 Prozentpunkte mehr als noch 2022. Acht Prozent gaben an, sogar selbst schon Opfer von Cybermobbing geworden zu sein.

Die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler sind nach den Aussagen der Lehrer vielfältig: 81 Prozent nehmen eine bedrückte Stimmung wahr, 58 Prozent beobachteten ein häufiges Fernbleiben vom Unterricht und ebenfalls mehr als die Hälfte (56) registrierte einen Leistungsabfall. Aus den Zahlen spricht auch Hilflosigkeit und Überlastung: 69 Prozent - und damit 12 Prozentpunkte mehr als 2022 - gaben an, dass die beruflichen Belastungen durch den Einfluss von Medien immer größer würden. 65 Prozent befürchten, diese Herausforderungen immer schlechter bewältigen zu können (plus 16 Prozentpunkte).

Klare Forderungen an die Politik

Die Experten warnen: Cybermobbing entwickele sich an fast allen Schulen weiter. Das Bündnis fordert deshalb, bereits im Grundschulalter mit der Prävention zu beginnen. Es brauche außerdem eine bessere Ausbildung von Lehrkräften und mehr Anlaufstellen für Betroffene. Die Politik sei gefordert, ein eigenes Gesetz zum Schutz vor Cybermobbing zu beschließen, bekräftigt Leest. Dafür sprechen sich laut Studie auch 83 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer aus. 

Der Bündnis-Vorsitzende betont, dass kriminelle Handlungen im Netz auch jetzt schon strafbar seien, aber die rechtliche Grundlage sei wegen mehrerer Einzelparagrafen unübersichtlich. Außerdem sieht er ein Umsetzungsproblem. Viele Cybermobbing-Verfahren würden «wegen Belanglosigkeit» eingestellt. Das müsse sich dringend ändern.

Teenager wünschen sich mehr Aufklärung über Gefahren im Netz

Bundesjugendministerin Lisa Paus (Grüne) betonte, dass ihr Ministerium bereits Maßnahmen ergreife. Cybermobbing könne zu «schweren körperlichen und mentalen Belastungen führen», erklärte die Ministerin. Das Ministerium fördere deshalb die bundesweite Beratungsplattform «Juuuport.de». Außerdem arbeite die Bundesregierung derzeit an einem «Gesetz zum Schutz gegen digitale Gewalt». Das Bundesjustizministerium habe hier die Federführung. Das Ministerium von Paus unterstützt nach Angaben eines Sprechers den Wunsch junger Menschen nach mehr Aufklärung zu den Gefahren der digitalen Welt.

Bei der kürzlich veröffentlichten Shell-Studie zur Lage junger Menschen in Deutschland hatten 90 Prozent der befragten Teenager angegeben, dass sie sich Pflichtunterricht zu Falschinformationen im Netz und zum Umgang mit Online-Medien wünschen. Auch aus Sicht der Cybermobbing-Experten gibt es hier in Deutschland eine klare Lücke.

Redaktionshinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass das Bundesfamilienministerium die Federführung beim «Gesetz zum Schutz gegen digitale Gewalt». Das ist nicht korrekt. Das Bundesjustizministerium hat in diesem Fall die Federführung. Die Passage im vorletzten Absatz wurde entsprechend korrigiert.

© dpa ⁄ Fatima Abbas, dpa
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