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Baum der Nation - ein Land trauert um ein gefälltes Symbol

Er wurde berühmt durch einen Film, diente Wanderern als Wegweiser und Fotografen als Motiv. Die illegale Abholzung des «Robin-Hood-Baums» löste Wut und Entsetzen aus. Bringt ein Prozess nun Antworten?
Sycamore Tree
Der illegal gefällte Berg-Ahorn-Baum («Sycamore Tree») am Hadrianswall in Northumberland. Der Vorfall hatte in Großbritannien große Betroffenheit ausgelöst. © Owen Humphreys/Press Association/dpa

Es klingt, als wäre ein Verwandter oder enger Freund getötet worden. Von Mord ist die Rede, von einer sinnlosen Tat. Dabei handelt es sich beim Opfer nur um einen Baum. «Nur» ein Baum? Für viele Menschen in Großbritannien ist es der Baum der Nation.

Zwei Männer sollen den mächtigen, etwa 15 Meter hohen Berg-Ahorn in Nordengland im September 2023 gefällt haben. Sie bestreiten die Vorwürfe, bei Gerichtsterminen vermummten sich der 31- und der 38-Jährige mit Masken und Kapuzen.

Ein mögliches Motiv ist bisher nicht bekannt. Antworten soll nun ein Prozess bringen: Die beiden Verdächtigen sollen vom 3. Dezember an wegen schwerer Sachbeschädigung vor Gericht stehen, wie ein Richter in Newcastle am Mittwoch entschied. Der Sachschaden wird auf mehr als 620.000 Pfund (735.000 Euro) geschätzt. Doch der immaterielle Wert dürfte viel höher liegen.

«Symbol» oder «Teil von Englands Identität»

Ein «Symbol» nannte ihn der örtliche Parlamentsabgeordnete Guy Opperman, der Nationalpark Northumberland sprach von einem «Teil von Englands Identität». Wie bedeutend der wohl mehr als 200 Jahre alte Riese war, zeigt sich schon an der Namensgebung seines Standorts. «Sycamore Gap» heißt die Stelle, also Berg-Ahorn-Senke. Das Motiv ist geradezu ikonisch. Wie gemalt erhob sich der mächtige Stamm in der Mitte der Senke. Unzählige Fotos sind dort entstanden, Schattenbilder von Kindern oder mit beeindruckendem Sternenhimmel.

Links und rechts ziehen sich die Überreste des Hadrianwalls entlang, den die Römer vor 2000 Jahren zum Schutz vor Angriffen aus dem Norden und zur Kontrolle von Handelswegen angelegt hatten. Der Baum stürzte - mit einem sauberen Schnitt knapp über der Wurzel getrennt - auf die Mauerruine. Auch hier entstand Schaden.

Hollywood-Film machte den Baum bekannt und beliebt

Seine Beliebtheit verdankt der Baum vor allem einem Hollywood-Film. In «Robin Hood - König der Diebe» (1991) ist der Berg-Ahorn prominent in Szene gesetzt: Robin, gespielt von Kevin Costner, verteidigt zu Beginn einen Jugendlichen, der sich vor Häschern ins Geäst flüchtet.

US-Regisseur Kevin Reynolds nannte die illegale Abholzung «verabscheuungswürdig». «Jetzt ist er verschwunden, er wurde ermordet, und aus welchem Grund? Würden Sie das Taj Mahal, den Gullfoss-Wasserfall in Island oder den Großen Wagen zerstören?», sagte er einmal der BBC. «Manche Leute werden sagen, man könne den Tod eines Baumes nicht mit dem Tod eines Menschen vergleichen. Aber manche Dinge sind so ikonisch, so perfekt in ihrem Wesen, dass sie eine tiefgreifende Wirkung auf die Menschen haben.»

Abtransport kommt Totenwache gleich

Als der gefällte Stamm nach der Tat abtransportiert wurde, fühlte sich Andrew Poad vom National Trust an «eine Beisetzung oder Totenwache» erinnert. «Wir, die hier arbeiten, haben das Gefühl, ein Familienmitglied verloren zu haben», sagte Poad. «Er hatte seine Hollywood-Karriere in den 1990er Jahren, aber mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat er wirklich ein Eigenleben entwickelt.»

Doch es gibt Hoffnung auf neues Leben, auch wenn es wohl 150 bis 200 Jahre dauern dürfte, bis ein ähnlich mächtiger Stamm sich in der Senke in die Höhe reckt. Der National Trust sammelte Samen zur Vermehrung von Setzlingen, die an verschiedenen Orten landesweit eingepflanzt werden sollen - auch bei König Charles III. auf Schloss Windsor. Oscar-Preisträgerin Judi Dench («Shakespeare in Love») pflanzte einen Setzling auf der Chelsea Flower Show.

Welle an Emotionen

«Die Welle an Emotionen, die wir nach der Fällung des Berg-Ahorns erlebt haben, zeigt, wie sehr wir alle mit unserem Naturerbe verbunden sind», sagte National-Trust-Chefin Hilary McGrady. «Diese neuen grünen Triebe halten die Geschichte der «Sycamore Gap» am Leben und dienen als Erinnerung an die einfache und dringend benötigte Hoffnung, Freude und Ruhe, die die Natur bringen kann.»

© dpa ⁄ Benedikt von Imhoff, dpa
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