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Fußball-EM: Die Rückkehr der Bravehearts

Schottland feiert seine erste Teilnahme an einem großen Fußballturnier nach 20 Jahren, Polens Lewandowski trifft nicht und Spanien zeigt, dass Ballbesitz nicht alles ist.
14. Juni EM-Vorrunde 1. Spieltag
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Schottland – Tschechien 0:2

In Schottland war es quasi ein doppelter Nationalfeiertag. Nach 20 langen Jahren kehrten die „Bravehearts“ endlich wieder auf die große Fußballbühne zurück und dann spielte man bei der Fußball-EM gegen Tschechien auch noch in Glasgow. Damit war die Partie die erste Fußball-EM-Begegnung überhaupt, die auf schottischem Boden stattfand. Dabei ist der 1873 gegründete Fußballverband des nach Unabhängigkeit strebenden Landes der zweitälteste der Welt nach dem des ungeliebten Nachbarn England.

Leider entpuppte sich der Tscheche Patrik Schick als echter Party-Crasher. Erst traf der Spieler in Diensten von Bayer Leverkusen noch vor der Pause per Kopf (42. Minute). Dann zog er in der 52. Minute aus 45 Metern ab, weil er sah, dass Schottlands Keeper Marshall zu weit vor seinem Kasten stand. Ganz zum Schluss hallten so nur noch tschechische Schlachtgesänge durch den Hampden Park.

Die Tschechen zeigten dabei von Anfang an eine hervorragende taktische Leistung und vor allem Effektivität. Obwohl das Torverhältnis mit 19:10 deutlich zugunsten der Schotten ausfiel, konnten diese damit nichts anfangen und scheiterten schon beinahe kläglich am Abwehrbollwerk der Gäste. Am nächsten kam noch Hendry dem Tor, als er in der 48. Minute die Latte des tschechischen Kastens traf.

Interessanterweise gewannen die Gastgeber zwar 58% der Zweikämpfe, was normalerweise siegreiche Mannschaften auszeichnet, aber sie verloren die entscheidenden Duelle wie das vor der Flank zu Schicks erstem Treffer. Die Achillesferse des von Coach Steve Clark vorgegeben offensiven 3-5-2-Systems waren die bei gegnerischen Kontern zu spärlich besetzen Außen gepaart mit mangelnder Ballsicherheit. Genau in diese Räume drangen die Tschechen vor, die ihrerseits im 4-5-1 antraten und so auf den Außen häufig mit zwei gegen einen spielten.

Für Schottland geht es nun am Freitag nun schon fast um alles – und zwar ausgerechnet auswärts im Londoner Wembley-Stadion. Tschechien kann seinerseits wieder defensiv gegen Kroatien beginnen, das seinerseits im ersten EM-Spiel gegen England verloren hatte.

Polen – Slowakei 1:2

Nach dem gut besuchten Spiel der russischen „Spornaja“ gegen Belgien herrschte im St. Petersburger Stadion ziemliche Leere. Kein Wunder, denn es spielten Polen und die Slowakei gegeneinander, die gerade erhebliche Spannung im politischen Verhältnis zu Wladimir Putins Russland haben. So reisten vor allem viel weniger polnische Fans an, als wenn dieses Spiel z.B. in München stattgefunden hätte.

Eine merkwürdige Atmosphäre herrscht auch auf dem Rasen. Die polnische Nationalmannschaft, in der Heimat auch schon gern mit der legendäre Truppe der Fußball-WM 1974 um Zbigniew Boniek verglichen, kam so überhaupt gar nicht in Fahrt und kassierte durch Torhüter Szczesny ein unglückliches Eigentor (18. Minute).

Bis zur Pause hatten die laufstarken Slowaken, die im klassisch englischen 4-4-2 antraten, überhaupt keine Mühe die Räume zu schließen. Polen hatte zwar deutlich mehr Ballbesitz, spielte jedoch zu behäbig und mit zu großen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen. Selbst Superstar Robert Lewandowski wirkte nach einer anstrengenden, wenn auch erfolgreichen Saison mit Bayern München irgendwie müde. Zudem wurde der Weltfußballer auch meist von zwei Slowaken markiert. Markanter Höhepunkt in dieser öden Phase war noch der besonders gewagte Irokesen-Haarschnitt des slowakischen Stars Hamsik, der einst beim SSC Neapel spielte und die slowakischen Gegenstöße dirigierte.

Nach der Pause aber wurde das polnische 3-3-3-1, das Trainer Sosa noch nie hatte spielen lassen, offensiver interpretiert und das Spieltempo endlich erhöht. Der Lohn kam prompt in Form des 1:1 durch Linetty (46. Minute). Polen beherrschte fortan das Spiel und das 2:1 schien eine Frage der Zeit, zumal der slowakische Trainer Tarkovic keine frischen Kräfte aufs Feld schicken wollte.

Was sich zunächst wie ein Fehler darstellte, wurde später zum Vorteil, aber nur weil der polnische Zehner Krychowiak in der 62. Minute ungeschickt in einen Zweikampf ging und die gelb-rote Karte kassierte. Die Slowakei übernahm nun das Kommando und erzielte das entscheidende 1:2 durch Skriniar und ihr Trainer wechselte ab der 79. Minute munter durch, um Zeit von der Uhr zu nehmen.

Für die Polen ist der Ausflug nach Russland maximal blöd gelaufen, denn nun müssen sie unbedingt gegen Spanien punkten. Da kommt es ungelegen, dass dieses entscheidende Spiel in Sevilla stattfindet. Die cleveren Slowaken hingegen können gegen Schweden das Achtelfinale klarmachen und haben den Vorteil weiter in St. Petersburg spielen zu können, d.h. sie können Kraft sparen.

Spanien – Schweden 0:0

Eben in Sevilla fand das Spiel zwischen dem dreifachen Europameister aus Spanien und Schweden statt. Zwar ist das dortige Stadionrund äußerst weit gefasst und bietet den Trainern sogar eine riesige Coaching-Zone, doch da es kurz vor Spielbeginn um 21 Uhr noch 28 Grad warm war, kann man mit Fug und Recht von einem echten „Backofen“ sprechen.

Dass die Spanier in Sevilla und nicht in den viel größeren Arenen von Madrid oder Barcelona antraten, passte ins Bild, schließlich vertraut Trainer Luis Enrique vornehmlich jungen Spielern, die eben meist nicht bei Real Madrid oder dem FC Barcelona unter Vertrag stehen. Eine Ausnahme ist der äußerst talentierte 20-jährige Pedri, der im Mittelfeld die Fäden zieht und sowas wie die neue Seele des Spiels der „Furia Roja“ ist. Nicht beim Turnier ist dabei ist wegen seiner Verletzungsanfälligkeit Reals Abwehrlegende Sergio Ramos mit seinen 35 Lenzen.

Ein bisschen fühlte man sich in der ersten Halbzeit an die Glanzzeit des spanischen Fußballs erinnert, als man von 2008 bis 2012 einen Welt- und zwei Europameistertitel gewann. „Tiki-Taka“ war quasi wiedergeboren, das öde, aber erfolgreiche Spiel der ewigen Ballstafetten, bei dem der Gegner kaum an den Ball kommt und irgendwann einen Aussetzer hat. Den größten Aussetzer hatten aber zwei Spanier. Torjäger Morata konnte in der 38. Minute eine 100-prozentige Chance nicht verwerten. Sein Teamkollege Llorente setzte in der 41. Minute einen Ball nach einer Aktion von Isak fast ins eigene Tor, aber dann doch nur gegen den Pfosten.

Ansonsten war von Schweden nichts zu sehen, stellte sich aber dem offensiven 4-3-3 der Iberer erfolgreich entgegen. Trotz großer Hitze zeigten sich die Skandinavier knorrig und laufstark. Leipzigs Forsberg war die zentrale Anspielstationen bei Kontern und Abwehrrecke Danielson, dessen Blackout fast zu Moratas Tor geführt hatte, wurde zunehmend sicherer und war der Garant für eine solide und bisweilen eklige Bearbeitung der Gegenspieler. Zwar zeigten die Schweden, dass man den Spaniern mit einem 4-4-2-Riegel Paroli bieten kann, ließen aber auch die zweite Riesenchance in Form von Berg (61. Minute) liegen.

Mit dem letzten Doppelwechsel schalteten die Schweden endgültig in den Beton-Modus. Spanien hatte Mühe gegen das 5-3-2 durchzukommen und im Zweifelsfall war Torwart Olsen da. Der mit 31 Jahren gar nicht so alte Schwede parierte selbst einen Kopfball und Schuss aus kurzer Distanz trotz seiner 1,96 Meter wie eine Katze.

Nach dem enttäuschenden 0:0 hat Spanien gegen Polen die Chance der Wiedergutmachung vor heimischem Publikum. Die Schweden werden gegen die Slowakei sicherlich mehr für die Offensive tun, um einen Dreier einzufahren.

© Tom Meyer
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