Fußball aus der Konserve
Eigentlich bin ich jemand, der den Fußball liebt und immer gern die Spiele der deutschen Nationalmannschaft verfolgt hat, aber auch ich muss zugeben, dass mich das Fußball-EM-Fieber in diesem Jahr erst sehr spät gepackt hat. Vielleicht liegt das auch ein bisschen an der Entfremdung, die „echte Fans“ verspüren, seit die DFB-Elf in Oliver Bierhoffs Werbesprech „die Mannschaft“ heißt und ein ums andere Mal ähnlich gefühlskalte Leistungen auf dem Platz gezeigt hat.
Wahrscheinlich liegt es aber auch an der besonderen Situation. Die Fußball-EM sollte ja im Sommer 2020 stattfinden, wurde wegen Corona aber um ein Jahr verschoben – und als passionierter Stadiongänger kann ich meinen geliebten Fußball seit März 2020 nur noch als „Konserve“ im TV verfolgen. Das erste Heimspiel meines Clubs Fortuna Düsseldorf in der Saison 2020/21 konnte ich zwar vor Ort sehen, aber vor nur 7.500 Fans, die maximal in Vierergruppen mit Maske saßen, und ohne Ultras, die den seelenlosen Spielbetrieb boykottierten.
Erste Fußball-EM im Pay-TV
Kaum zu glauben, aber wirklich so geplant: Die Fußball-EM 2021 soll tatsächlich vor, wenn auch wenigen Fans in Stadien ausgespielt werden, aber da es sich um die Jubiläums-EM 60 Jahre nach der ersten Europameisterschaft handelt, finden die Partien über den ganzen Kontinent verteilt statt. So ist das Olympiastadion zu Rom Ort des Eröffnungsspiels zwischen Italien und der Türkei und das Londoner Wembley-Stadion die Austragungsstätte des EM-Finales.
Deshalb dürften die meisten Fans die Spiele zu Hause am TV oder per Stream schauen. Für Deutschland haben sich auch wie in den Jahren zuvor ARD und ZDF die Live-TV-Rechte gesichert – doch im Unterschied zu allen Europa- und Weltmeisterschaften zuvor können zehn Vorrundenspiele nur über das Streaming-Angebot Magenta TV der Telekom gesehen werden:
• 12. Juni, 15 Uhr: Wales – Schweiz (Gruppe A)
• 14. Juni, 15 Uhr: Schottland – Tschechien (Gruppe D)
• 16. Juni, 15 Uhr: Finnland – Russland (Gruppe B)
• 18. Juni, 15 Uhr: Schweden – Slowakei (Gruppe E)
• 23. Juni, 21 Uhr: Portugal – Frankreich (Gruppe F)
Was mich als Fußball-Fan besonders erbost: Zum einen muss man sich gleich 24 Monate lang vertraglich binden. Bei fünf weiteren Spielen weiß man zudem nicht genau, ob sie nur gegen Bezahlung an den rosa Riesen zu sehen sind. Das wird erst kurzfristig entschieden. Fan-Nähe sieht anders aus!
Das Elend mit den Streams
Arcor wird Ihnen als Fußball-EM-Service natürlich Spieltagszusammenfassungen anbieten, aber was macht der Fan, der kein Abo bei der Telekom abschließen möchte? Er könnte sich einen Zugang über ein Virtual Private Network (VPN) zulegen und so den wahren Standort seines Rechners verschleiern, um das Spiel seiner Wahl zumindest über einen ausländischen Stream zu verfolgen. Mit NordVPN, CyberGhost VPN oder ProtonVPN gibt es da einige seriöse Anbieter.
Das wahre Elend sind aber die Streams selbst. Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender unserer europäischen Nachbarn, die wie ARD, ZDF und Telekom die Rechte für ihr Land erworben haben, verfügen über ein ziemlich effizientes Geo-Blocking, mit dem sie Zuschauer z.B. in Deutschland beim Verbreiten bestimmter Inhalte ausschließen können. Also bleiben eher dubiose Streaming-Portale, meist in Russland oder asiatischen Ländern zu Hause, die ihre Dienste anbieten. Die bieten ihre Streams aber eigentlich illegal an, weil sie das TV-Signal z.B. von Nederland 2 nur abgreifen und ins Internet streamen.
Außerdem wird immer wieder davor gewarnt, dass man sich so leicht auf Phishing-Seiten umleiten lässt, über die Betrüger an Daten wie Name oder Kreditkartennummer gelangen. Auch die Verbreitung von Schad-Software über halbseidene Streaming-Anbieter kam in den letzten Jahren immer wieder vor.
Biss in den sauren Apfel
Zwar würde ich z.B. das Duell von Europameister Portugal gegen Weltmeister Frankreich schon gern live sehen, werde aber in diesem Jahr in den sauren Apfel beißen und nicht alle Spiele der Fußball-EM live verfolgen. Gott sei Dank sind dank eines Beschlusses der EU ja die Spiele der deutschen Nationalmannschaft „Kulturgut“ und müssen im deutschen Free-TV gezeigt werden.
Die Fußball-Fans müssen sich wohl in den kommenden Jahren damit abfinden, dass ihr Sport immer mehr kommerzialisiert wird. Im Pay-TV gibt es ja schon länger keine schöne Entwicklung, da schon die Fußball-Bundesliga nicht komplett auf Sky, sondern teilweise auf DAZN läuft.
Trotzdem wird Fußball-Streaming immer populärer. So hatte ich, der ich normalerweise im Stadion oder in der Kneipe meines Vertrauens die Spiele der glorreichen Fortuna verfolge, letzte Saison notgedrungen ein monatlich kündbares Streaming-Abo des Pay-TV-Anbieters Sky und falls nächste Saison doch keine oder nur wenige Zuschauer ins Stadion dürfen, muss ich mir das wohl wieder zulegen. Leider muss man ja damit rechnen, dass das Corona-Virus den Fußball-Fans wieder einen Strich durch die Rechnung machen könnte.