Ungarn – Frankreich 1:1
Im Nachmittagsspiel hatte Frankreich Ungarn zu Gast – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Arena in Budapest ist ja das einzige Stadion bei dieser Fußball-EM, das voll belegt werden darf, und so strömten – wie schon im ersten Spiel der Ungarn gegen Portugal – 65.000 Zuschauer hinein.
Die Rollen waren klar verteilt: Jeder Experte erwartete einen Sieg der französischen Weltmeister um Stürmerstar Mbappé gegen die Nobody-Truppe aus Ungarn, deren bekannteste Spieler hierzulande drei Bundesliga-Kicker sind. Torwart Gulacsi und Abwehrchef Orban spielen in Leipzig und Kapitän Szalai verdient seine Brötchen in Mainz.
Frankreich trat denn auch im gewohnten 4-3-3 auf und hatte wenig überraschend den meisten Ballbesitz. Ungarn spielte im 5-3-2, das bei eigenen Angriffen in ein 3-5-2 umgewandelt wurde – viel Laufarbeit also für die Außenspieler und das gegen eine Weltmeister-Truppe, die es liebt zunächst einmal sicher zu stehen und dann gefährlich über die Flanken zu kommen.
Frankreich spielte sich in der ersten Halbzeit Chance um Chance heraus, nutzte diese aber anders als gegen Deutschland nicht sofort. Die wackeren Magyaren schlugen dann wie aus dem Nichts zurück und machten in Form von Fiola in der zweiten Minute der Nachspielzeit das 1:0. Die Budapester Arena, benannt nach Ferenc Puskás, dem Star der Fußball-WM 1954, glich daraufhin einem Tollhaus.
Bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit drückte Frankreich nun auf den Ausgleich, der aber erst in der 66. Minute gelang. Griezmann konnte hierbei einen Abwehrfehler der Ungarn nutzen. In der Folge wollten „Les Bleus“ natürlich den Sieg, stellten sich aber ungewohnt ungeschickt dabei an. Die Gastgeber stellten die Räume gekonnt zu und gaben den Franzosen ordentlich auf die Socken.
Natürlich hatten die Ungarn auch das Glück des Tüchtigen, aber das letztendlich verdiente 1:1 zeigt, womit man die Welt-Stars aus Frankreich entzaubern kann: Taktische Disziplin, rustikales Einsteigen und konzentriert vorgetragene eigene Angriffe sind der Schlüssel, denn die Abwehr der Franzosen ist weder schnell noch sattelfest. Und dann gibt es ja noch ein böses Omen: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatte ausgerechnet, dass nicht Frankreich, sondern England Europameister wird.
Wenn es für Frankreich ganz blöd läuft und man im dritten Vorrundenspiel gegen Portugal verliert und gleichzeitig Deutschland gegen Ungarn gewinnt, kommt man mit Glück als Gruppendritter weiter und trifft dann auf einen schweren Gegner. Ungarn hat mit nunmehr einem Punkt bei einem Sieg gegen Deutschland theoretisch die Möglichkeit Gruppenzweiter zu werden.
Deutschland – Portugal 4:2
Ebenjene Deutschen zeigten beim Anpfiff um 18 Uhr gegen Portugal, dass sie doch eine Turniermannschaft sind. Bundestrainer Jogi Löw hatte zunächst einmal den Gegner verwirrt, indem er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel über alle möglichen Wechselkandidaten philosophiert hatte. Auf dem Rasen stand dann aber exakt die gleiche Truppe wie gegen Frankreich und übernahm wieder zunächst das Kommando.
Im offensiven 3-4-3 ohne echten Sechser ging es in München zur Sache. Zwar waren nur knapp 13.000 Fans zugelassen, aber die waren angesichts des Offensiv-Feuerwerks gleich Feuer und Flamme und hatten schon in der 5. Minute Grund zum Jubel. Robin Gosens, der seine Brötchen bei Atalanta Bergamo verdient, zeigt eine Kung-Fu-Flugeinlage wie gegen Frankreich und netzte aus spitzem Winkel und kurzer Distanz ein. Leider war Serge Gnabry weiter in der Mitte im Abseits, so dass das Tor annulliert wurde.
Der große Nachteil des 3-4-3 ist natürlich die defensive Anfälligkeit und so brachte ausgerechnet eine deutsche Ecke Portugal in Führung. Weil die Absicherung dilettantisch aufgebaut war, hatte der amtierende Europameister über seine rechte Angriffsseite freie Fahrt und war mit fünf gegen drei in Überzahl. Der Konter wurde blitzsauber ausgespielt und Superstar Cristiano Ronaldo durfte am Ende im fünften Spiel gegen Deutschland endlich sein erstes Tor feiern (15. Minute).
Nun zeigten aber wiederum die Portugiesen, warum sie mir schon gegen Ungarn über weite Strecken gar nicht gefallen hatten: Sie spielten viel zu passiv und langsam. Das 4-3-3 mit zwei Sechsern ist zwar für die Defensive gut geeignet, doch dann darf man sich in der Abwehr keine individuellen Fehler leisten. Die Portugiesen schossen aber, wenn auch in Bedrängnis, in der 35. und 39. Minute gleich zwei Eigentore. Die Unglücksraben waren zunächst Ruben Dias und dann der beim BVB spielende Raphael Guerreiro.
Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die DFB-Elf, die sich durch das Eigentor von Mats Hummels gegen Frankreich selbst auf die Verliererstraße gebracht hatte, war nun zwei Eigentore wieder im Spiel und drückte Portugal mit Macht in die eigene Hälfte – und hat mit Robin Gosens spätestens seit dieser Partie einen neuen Stern am Fußballhimmel.
Der junge Mann aus Emmerich, von den Fans für seine bodenständigen Aussagen und seine Art Fußball zu arbeiten geliebt, bediente Havertz mit einer mustergültig scharfen Hereingabe zum 3:1 (51. Minute). Nur wenig später belohnte er sich für seine bärenstarke Leistung mit dem 4:1. Der Emmericher Junge, dessen größter Fan seine Oma ist, wuchtete einen Kopfball nach feiner Flanke von Kimmich (60. Minute) unwiderstehlich ins portugiesische Netz. Ein Hauch von „Sommermärchen“ lag in der Luft.
Cristiano Ronaldo, der kurz nach der 0:1 noch Antonio Rüdiger mit einem Heber und anschließendem Hackentrick gedemütigt und dabei schelmisch gegrinst hatte, hatte nun sichtlich den Kaffee auf. Der 37-Jährige kratze einen Ball von der deutschen Außenlinie, legte ihn nach innen und Diego Jota schoss den Anschlusstreffer (67. Minute). Da Löw nun das einzig Richtige machte und auf ein defensives 3-6-1 umschaltete, kam Portugal aber nicht mehr zu Potte und musste sich letztendlich verdient mit 4:2 geschlagen geben.
Deutschland ist nach einer kämpferisch imponierenden Leistung wieder im Turnier und kann mit einem Sieg gegen Ungarn das Achtelfinale sicher erreichen. Auch ein Unentschieden könnte reichen, je nachdem, wie parallel Portugal gegen Frankreich spielt. Der amtierende Europameister muss sich gegen die „Bleus“ aber schon ziemlich steigern, um eine Chance zu haben, hat aber den Vorteil der Angstgegner der Franzosen zu sein.
Spanien – Polen 1:1
Die südlichste Spielstätte dieser Fußball-EM liegt im andalusischen Sevilla. Im Süden der Iberischen Halbinsel wurde zwar wieder um 21 Uhr angepfiffen, doch wer sich an das legendäre Fußball-WM-Halbfinale 1982 erinnern kann, weiß, wie heiß es dort trotz später Stunde sein kann. Damals besiegte Deutschland Frankreich bei unmenschlichen 40 Grad. Im zweiten Spiel der Fußball-EM 2021 trafen Spanien und Polen bei „nur“ 30 Grad gegeneinander an.
Bei den Spaniern hing der Haussegen schon vor der Partie sichtlich schief. Juventus Turins Star Morata war wegen seiner gegen Schweden vergebenen Großchance massiv in der Presse und über die sozialen Medien kritisiert worden. Nationaltrainer Luís Enrique ließ sich von dem Shitstorm nicht beeindrucken und stellte Morata wieder auf – und der zahlte es mit dem 1:0 zurück. In der 25. Minute staubte er aus kurzer Distanz ab.
Die im 4-3-3 angetreten Spanier waren auch danach meistens am Zuge und hatten am Ende sogar unglaubliche 88% Ballbesitz, während Polen sich über weite Strecken im 4-5-1 einmauerte und Robert Lewandowski von Bayern München vorn allein auf weiter Flur spielte. Nur punktuell stießen die Polen nach vorn, waren dafür aber umso gefährlicher. In der 54. Minute köpfte Weltfußballer Lewandowski dann eine punktgenaue Flanke von Jozwiak schulbuchmäßig ins linke untere Eck.
Nur fünf Minuten später hatte Gerard in Form eines Elfmeters die Chance zur erneuten spanischen Führung, drosch das Leder aber an den Pfosten. Der nachsetzende Morata schoss den Ball dann letztendlich vorbei und wird sich nun wieder Kritik anhören dürfen. Die Spanier, eine im Schnitt sehr junge Truppe ohne erfahrene Alt-Stars wie Ramos, wurde nämlich nun zusehends nervös und musste sich trotz drei guter Chancen mit dem 1:1 zufriedengeben.
Damit bleibt der Geheimfavorit von der Iberischen Halbinsel bei dieser Fußball-EM ergebnistechnisch weit unter seinen Möglichkeiten und muss gegen die Underdogs aus der Slowakei schon gewinnen, um sicher ins Achtelfinale einzuziehen. Polen ist noch nicht verloren, aber ein Punkt reicht nicht fürs Weiterkommen. Da müssten schon drei weitere gegen Schweden hinzukommen.