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Spektakulärer Gefangenenaustausch zwischen Moskau und Westen

Russland und der Westen machen einen beispiellosen Gefangenen-Deal. Es wirkt wie ein Agentenkrimi: Ein verurteilter Mörder und Spione kommen im Austausch für politische Gefangene frei.
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Gefangenenaustausch mit Russland

Russland, Belarus und mehrere westliche Länder haben in einer beispiellosen Aktion unter Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT insgesamt 26 Gefangene ausgetauscht. Im Gegenzug für die Freilassung politischer Gefangener und Kremlkritiker ließen Deutschland, die USA und Partnerländer einen verurteilten Mörder und unter Spionageverdacht stehende Akteure aus Russland gehen.

So überstellte Deutschland bei der Übergabe auf dem Flughafen der türkischen Hauptstadt Ankara den sogenannten Tiergartenmörder. Belarus ließ den zunächst zum Tode verurteilten und später begnadigten Deutschen Rico K. frei. Auch der Deutsche Patrick S., der wegen Cannabis-Gummibärchen im Gepäck am Flughafen in Sankt Petersburg festgenommen worden war, wurde an Deutschland übergeben. Russland ließ außerdem den wegen Spionage verurteilten Korrespondenten des «Wall Street Journal», Evan Gershkovich und den ehemaligen US-Soldaten Paul Whelan frei. 

Scholz unterbricht Urlaub - Putin empfängt Rückkehrer

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterbrach seinen Urlaub und will sich noch am späten Donnerstagabend am Flughafen Köln/Bonn mit Freigelassenen treffen. Zuvor sagte er: «Niemand hat sich diese Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben.» 
Die schwierige Entscheidung sei von der Koalition nach sorgfältiger Beratung und Abwägung gemeinsam getroffen worden. 

Scholz sprach von einer Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Staatsbürgern und Solidarität mit den USA. Möglich war der Deal mit Russland nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit Angaben nur, «indem russische Staatsangehörige mit geheimdienstlichem Hintergrund, die in Europa in Haft saßen», überstellt wurden.

Russlands Präsident Wladimir Putin empfing seinerseits vom Westen freigelassene Russen am Donnerstagabend in Moskau persönlich. Der Kremlchef umarmte mindestens einen der Männer noch auf dem Rollfeld, wo die Präsidentengarde Spalier stand, wie vom Kreml veröffentlichte Fernsehbilder zeigten. Insgesamt wurden zehn Personen an Russland übergeben, darunter nach türkischen Angaben auch zwei Kinder - das Alter wurde nicht genannt. Auf der anderen Seite kamen fünf Deutsche, drei US-Bürger, eine Person mit US-Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis (Green Card) und sieben russische Staatsbürger frei, darunter prominente Kremlgegner wie Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin.

Biden dankt Scholz

US-Präsident Joe Biden trat in Washington gemeinsam mit Angehörigen der aus russischer Haft freigelassenen Amerikaner vor die Kameras: «Ich bin vor allem dem Bundeskanzler zu großem Dank verpflichtet.» Angesichts der Forderungen aus Russland habe er «erhebliche Zugeständnisse» von Deutschland erbitten müssen. Mehrere Partner hätten «mutige» Entscheidungen getroffen, indem sie Gefangene freigelassen hätten, die in ihren Ländern zu Recht festgehalten worden seien - um am Ende Amerikaner nach Hause zu bringen.

Geheimdienst spricht von historischer Operation

Die 26 Gefangenen waren den MIT-Angaben zufolge zuvor aus Russland, den USA, Deutschland, Polen, Norwegen und Slowenien wo sie jeweils inhaftiert waren nach Ankara geflogen worden. Alle seien zunächst an sichere Orte gebracht und medizinisch untersucht worden, Dokumente seien unterzeichnet worden. Schließlich wurden demnach zehn Personen nach Russland geflogen. 13 Betroffene wurden nach Deutschland und drei in die USA ausgeflogen, hieß es weiter. Der Geheimdienst sprach von einem historischen Austausch und dem umfangreichsten zwischen Russland, den USA und Deutschland in der jüngsten Vergangenheit.

Unter den deutschen Staatsbürgern, die frei kamen, ist neben Rico K. und Patrick S. auch der 19-jährige Deutsch-Russe Kevin L. und der Politologe Demuri W., die beide wegen Landesverrats verurteilt worden waren, und der wegen Landesverrats angeklagte Aktivist German M.

Informationen über Austausch hatten sich immer mehr verdichtet

Seit Tagen hatten sich Spekulation über einen großen Gefangenenaustausch gemehrt. So hatte es Berichte über die Verlegung zahlreicher politischer Gefangener in Russland an unbekannte Orte gegeben, darunter auch die früheren Leiterinnen der Regionalstäbe des in Haft gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny. Seit Mittwochabend verdichteten sich die Informationen über einen großen internationalen Deal schließlich immer mehr. 

Kremlchef Wladimir Putin, der in der Kritik steht, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen, hatte zuletzt wiederholt die Bereitschaft zu einem Austausch erklärt. Putin hatte besonders großes Interesse am in Deutschland inhaftierten «Tiergartenmörder». 

Verschiedene Ereignisse deuteten zuletzt auf Bewegung in der Sache hin: Gershkovich wurde erst vor knapp zwei Wochen nach langer Untersuchungshaft in Russland in einem kurzen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Am selben Tag verurteilte ein russisches Gericht die US-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva, die nach US-Angaben ebenfalls freikam, zu sechseinhalb Jahren Strafkolonie wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee. 

Beobachter in Moskau deuteten die schnelle Verurteilung Gershkovichs als möglichen Hinweis darauf, dass es bald eine Einigung über einen Gefangenenaustausch geben könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, damit es zu einem Austausch kommt.

Todesurteil gegen Deutschen gerade erst aufgehoben

Ebenfalls am Tag der Verurteilung der beiden US-Journalisten wurde öffentlich, dass in Russlands verbündetem Nachbarland Belarus der Deutsche Rico K. zum Tode verurteilt wurde. Vor wenigen Tagen hob Machthaber Alexander Lukaschenko das Urteil auf, nachdem der Deutsche im belarussischen Staatsfernsehen in einem Video vorgeführt worden war, in dem er sich schuldig bekannte und um Gnade bat. Auch hier hatte es Spekulationen gegeben, dass hinter den Kulissen möglicherweise ein Austausch gegen den «Tiergartenmörder» Wadim K. ausgehandelt werden könnte.

«Tiergartenmörder» saß zuletzt in Offenburg ein

Wadim K. hatte 2019 in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten einen Georgier ermordet. Das Berliner Kammergericht hatte ihn 2021 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der russische Präsident Wladimir Putin nahm den Mörder öffentlich in Schutz, weil er aus russischer Sicht einen Staatsfeind beseitigt hatte. Russische Behörden hatten diesen als tschetschenischen Terroristen eingestuft. Immer wieder war spekuliert worden, dass Putin K. im Zuge eines Gefangenenaustauschs freibekommen will. 

Wadim K., der aus Sicherheitsgründen mehrfach von einer Haftanstalt zur nächsten verlegt worden war, saß nach dpa-Informationen zuletzt im baden-württembergischen Offenburg ein. Die Entscheidung zu seiner Freilassung traf nicht der in solchen Fällen zuständige Generalbundesanwalt Jens Rommel, sondern das Bundesjustizministerium. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, der Generalbundesanwalt sei zwar grundsätzlich zuständig für die Aussetzung der Strafvollstreckung. Das Ministerium habe ihn im Fall von Wadim K. am vergangenen Montag jedoch schriftlich angewiesen, die Vollstreckung auszusetzen, um den Gefangenenaustausch zu ermöglichen.

 

© dpa ⁄ den dpa-Korrespondenten
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