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«Nie wieder Krieg»: Friedensbewegung sieht sich am Neuanfang

Tausende ziehen durch Berlin, um gegen Waffenlieferungen an die Ukraine zu demonstrieren und für Verhandlungen mit Russland. Den größten Beifall bekommt wieder Sahra Wagenknecht.
„Nie wieder Krieg“-Demonstration Berlin
„Nie wieder Krieg“-Demonstration Berlin
„Nie wieder Krieg“-Demonstration Berlin

Friedenstauben, Regenbogenfahnen, rote Fahnen der Linken und der DKP, palästinensische Flaggen und Sprechchöre «Free Palestine»: Es war alles dabei am Donnerstagnachmittag bei der Demonstration «Nie wieder Krieg» an der Berliner Siegessäule. «Wir sehen heute, die Friedensbewegung lebt», rief die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch von der Bühne im Tiergarten. Die Veranstalter zählten «weit über 40.000» Menschen. Die Polizei wollte sich nicht festlegen und sprach nur von einer «unteren fünfstelligen Zahl».

«Frieden schaffen ohne Waffen» stand auf Schildern und «Raus aus der Nato». Fast so wie in den 1980er Jahren in Westdeutschland. Die Organisatoren hoffen auf eine Neuauflage. Diese könnte wohl auch im Bundestagswahlkampf 2025 mitmischen. «Ihr seid zu Beginn dieser großen neuen Bewegung dabei, die dieses Land hoffentlich friedlicher und friedfertiger machen wird», sagte Mitorganisator Reiner Braun. Nach eigenen Angaben hat er schon gegen den Nato-Doppelbeschluss von 1979 protestiert.

Wagenknecht als Ikone der Bewegung

Dazu kamen Protagonisten wie die Ostberlinerin Lötzsch und der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler, der nach eigenem Bekunden zum ersten Mal auf einer Demonstration der Friedensbewegung sprach. Und natürlich die Ikone der Bewegung: Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die auch hier den größten Beifall bekam.

Wagenknecht sprach für den Frieden und für Diplomatie statt Waffen sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten. Aber sie sparte dabei nicht mit Verbalattacken. Die BSW-Chefin kritisierte wieder vehement die Ampel-Koalition, die blind das tue, was irgendwer in Washington vorgebe. 

Wider die «verdammten Raketen»

Sie nannte Kremlchef Wladimir Putin einen Verbrecher, geißelte aber zugleich Angriffskriege der USA. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sei ein Sicherheitsrisiko. Politiker wie Anton Hofreiter (Grüne) oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) gehörten in ein «Bataillon der Kriegstüchtigkeits-Maulhelden». Sie sollten mal an der Front erleben, wie Krieg wirklich sei. Und auch Wagenknecht formulierte das Hauptziel dieser neuen Bewegung: «Wir müssen diese verdammten Raketen verhindern.»

Gemeint ist die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ab 2026, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande des Nato-Gipfels in Washington im Juli angekündigt hatte. Scholz argumentiert, Deutschland brauche die Waffen zur Abschreckung. Es gebe eine Raketenbedrohung durch Russland. Kritiker halten dagegen, durch die Raketenstützpunkte werde Deutschland zum Angriffsziel. Zudem werde ein neues Wettrüsten eingeleitet.

Stegner ausgepfiffen

Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter der Regierungspartei SPD, sieht die Raketen skeptisch. Auf der Bühne am Großen Stern rund um die Siegessäule tat er sich trotzdem schwer, gegen Pfiffe und Buhrufe durchzudringen. Die begannen, als Stegner vom Selbstverteidigungsrecht der Ukraine sprach und von der Nützlichkeit von Luftabwehr über ukrainischen Städten. «Kriegstreiber»-Rufe waren zu hören. «Aufhören» und «Blablabla» lauteten Kommentare aus der Menge. 

Damit saß Stegner sehr unbequem zwischen allen politischen Stühlen. Denn aus seiner Partei musste er sich ebenfalls Vorwürfe anhören. Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth kritisierte im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», Stegner trage zu einer Verschiebung des Diskurses bei. 

«Wir haben uns von der AfD und Sahra Wagenknecht in eine Falle locken lassen. Sie und ihre nationalistisch-populistische Bewegung haben den Friedensbegriff gekapert», meinte Roth. «Durch die hochemotionale Debatte ist ein gefährliches Vakuum entstanden, in dem die Unterstützer der Ukraine als Kriegstreiber diskreditiert werden.» Waffen­lieferungen seien kein Selbstzweck, sondern sollten der Ukraine helfen, aus einer Position der Stärke an den Verhandlungstisch zu treten, sagte Roth. 

Am Ende «We shall overcome»

Argumente wie diese waren auf der Demonstration nicht zu hören. Von der Bühne aus war nach Wagenknechts Rede noch viel die Rede vom «Genozid» im Gazastreifen und der Befreiung Palästinas. Eine Rednerin begrüßte, dass Nicaragua Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord in Gaza beim internationalen Gerichtshof verklagt hat. Demonstranten sangen die Internationale und riefen «Hoch die internationale Solidarität». Gegen Ende sang die Menge dann noch «We shall overcome». Es war fast so wie damals.

© dpa ⁄ Verena Schmitt-Roschmann und Andreas Heimann, dpa
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