Nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Venezuela kämpft die Opposition weiter für einen Regierungswechsel in dem südamerikanischen Land. Der autoritäre Präsident Nicolás Maduro stemmt sich trotz massiver Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Wiederwahl mit aller Macht dagegen.
«Venezuela und die ganze Welt wissen, dass Gewalt das letzte Mittel des Maduro-Regimes ist», schrieb Oppositionsführerin María Corina Machado auf der Plattform X. «Nach dem klaren Wahlsieg, den wir Venezolaner errungen haben, ist die Antwort des Regimes Mord, Entführung und Verfolgung. Diese Verbrechen werden nicht ungesühnt bleiben.»
Nichtregierungsorganisation Foro Penal meldet elf Tote bei Demonstrationen
Bei Protesten gegen das Wahlergebnis kamen laut der regierungsunabhängigen Organisation Foro Penal bislang mindestens elf Demonstranten ums Leben, darunter zwei Jugendliche. Zudem wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft ein Polizist getötet. Staatliche Sicherheitskräfte nahmen Hunderte Demonstranten fest. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk und EU-Außenbeauftragte Josep Borrell riefen die Sicherheitskräfte zur Mäßigung auf.
Nach der Präsidentenwahl am Sonntag hatte die regierungstreue Wahlbehörde Maduro offiziell zum Sieger erklärt. Die Opposition wirft der Regierung Wahlfälschung vor und reklamiert den Sieg für ihren Kandidaten Edmundo González Urrutia. Sie hat nach eigenen Angaben Zugang zu mehr als 80 Prozent der detaillierten Wahlergebnisse aus den einzelnen Stimmbezirken, die der Nationale Wahlrat bislang nicht veröffentlicht hat. Demnach soll González auf 67 Prozent der Stimmen und Maduro auf 30 Prozent kommen.
Zweifel an dem offiziellen Wahlergebnis
Auch die USA, die EU und eine Reihe lateinamerikanischer Länder zweifeln das offizielle Wahlergebnis an. Peru erkannte sogar den Oppositionskandidaten González als Wahlsieger an, woraufhin Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu dem südamerikanischen Land abbrach.
Die Wahlbeobachter des Carter Center stellten Venezuela ein vernichtendes Zeugnis aus. «Die Präsidentenwahl hat nicht internationalen Standards genügt und kann nicht als demokratisch angesehen werden», hieß es in einer Mitteilung der Nichtregierungsorganisation.
Kolumbiens Staatschef Gustavo Petro forderte angesichts der Betrugsvorwürfe eine unabhängige Überprüfung des Wahlergebnisses. «Ich fordere die venezolanische Regierung auf, einen friedlichen Abschluss der Wahlen zu ermöglichen, indem sie eine transparente Nachprüfung der Stimmen und Ergebnislisten unter Beobachtung aller politischen Kräfte und professioneller internationaler Beobachter zulässt», schrieb der linke Staatschef, der ein recht gutes Verhältnis zu Maduro hat, auf X. «Die schwerwiegenden Zweifel an dem Wahlprozess könnten zu einer tiefen und gewalttätigen Spaltung der Gesellschaft führen.»
Maduro warf der Opposition seinerseits Manipulationsversuche vor. Er beantragte beim Obersten Gerichtshof eine Untersuchung und kündigte an, die detaillierten Ergebnislisten bald zu veröffentlichen. «Es gibt ein internationales Komplott gegen Venezuela. Das ist der kriminellste Angriff, den wir je erlebt haben», sagte der Staatschef.
Tausende Menschen gingen gegen das aus ihrer Sicht manipulierte Wahlergebnis auf die Straße. Sie errichteten Straßensperren, die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke gegen sie ein. Im ganzen Land seien 1.062 Demonstranten festgenommen worden, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Sie hätten unter anderem Polizeiwachen, Büros des Wahlamtes, Rathäuser und Krankenhäuser angegriffen. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen.
EU-Chefdiplomat Borrell fordert Respekt vor Menschenrechten
Angesichts des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten nach der umstrittenen Präsidentenwahl forderte der EU-Außenbeauftragte Borrell ein Ende der Repression. «Die Regierung in Venezuela sollte die Festnahmen, die Unterdrückung und die gewalttätige Rhetorik gegen die Opposition beenden», schrieb der Chefdiplomat der Europäischen Union auf X. «Die Behörden und Sicherheitskräfte müssen den Respekt vor den Menschenrechten garantieren.»
Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. In dem einstmals wohlhabenden Land mit großen Erdölvorkommen leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, Benzin, Gas und Medikamente sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – haben Venezuela in den vergangenen zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.
Redaktionshinweis: Tippfehler im 5. Absatz berichtigt (Padrino (nicht: Padrina)