Inhaltswarnung: Im folgenden Text wird sexueller Missbrauch von Kindern beschrieben. Wenn Du auf solche Themen empfindlich reagierst, solltest Du nicht weiterlesen.
True-Crime-Dokus befassen sich oft mit Mord, Totschlag und anderen schockierenden Verbrechen. Der Fall Outreau: Ein französischer Albtraum schlägt eine etwas andere Richtung ein. Im Mittelpunkt steht keine Gewalttat, sondern ein handfester Justizskandal, unter dem viele Menschen gelitten haben und bis heute leiden.
Die Doku-Serie erscheint am 15. März bei Netflix. Hier erklären wir Dir die wahre Geschichte hinter Der Fall Outreau im Detail.
Der Fall Outreau: Die wahre Geschichte hinter der Netflix-Doku
Der titelgebende Fall trägt den Namen Outreau, ein kleines Dorf in Nordfrankreich, etwa 35 Kilometer südwestlich von Calais. Hier, wo der Zweite Weltkrieg schwere Verwüstungen hinterlassen hat, spielt sich Anfang der 2000er Jahre ein riesiger Skandal ab. Alles beginnt, als der damals achtjährige Dimitri seinen Schulkamerad:innen erzählt, dass seine Eltern Thierry Delay und Myriam Badaoui ihn sexuell missbrauchen würden.
Schockiert von den Schilderungen des Jungen wenden sich seine Mitschüler:innen an ihre Eltern und Lehrer:innen, die wiederum die Behörden alarmieren. Schon vorher hatten einige Schulmitarbeiter:innen bei Dimitri und seinen drei Brüdern auffälliges Verhalten bemerkt. Ärzt:innen können später jedoch keine Beweise für sexuellen Missbrauch finden.
Die Rolle der Eltern Thierry Delay und Myriam Badaoui
Eine wahre Lawine von Anschuldigungen wird in den folgenden Tagen losgetreten: Die drei Brüder von Dimitri bestätigen die Vorwürfe und beschuldigen auch Nachbar:innen und Bekannte des sexuellen Missbrauchs. Thierry Delay und Myriam Badaoui nennen noch mehr Namen von vermeintlichen Kinderschänder:innen. Ihr jüngster Sohn will sogar den Mord an einem kleinen Mädchen beobachtet haben. Eine Leiche wird jedoch nie gefunden.
In den Fokus der Ermittlungen geraten unter anderem ihre Nachbar:innen David Delplanque und Aurelie Grenon. Hausdurchsuchungen bestätigen zunächst die Vorwürfe, denn in den Wohnungen der Verdächtigen werden Pornofilme und Sexspielzeug gefunden. Insgesamt geraten 19 Personen ins Visier der Behörden. 18 Kinder sollen ihre Opfer gewesen sein. Handelt es sich um einen monströsen Kinderporno-Ring?
Die Ermittlungen dauern an. 2001 werden die 19 Verdächtigen verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Es vergehen fast drei Jahre, bis der erste Prozess beginnt. Unter den drei Richter:innen am Obersten Gerichtshof in Boulogne-sur-Mer ist auch der junge Fabrice Burgaud.
Der Fall Outreau: Wer ist Fabrice Burgaud?
Fabrice Burgaud steht wie kein anderer für das Versagen der französischen Justiz im Fall Outreau. Damals ist der junge Richter gerade einmal 30 Jahre alt und bekleidet seinen ersten Job im Berufsleben als Untersuchungsrichter am Obersten Gerichtshof in Boulogne-sur-Mer. Das Potenzial des Falls ist enorm, das Medieninteresse entsprechend groß. Auch der Druck auf Burgaud ist enorm.
Schnell kommen die ersten Geständnisse: Myriam Badaoui und Thierry Delay sowie zwei Nachbar:innen bestätigen die Vorwürfe einiger Kinder. Aber was ist mit den anderen Verdächtigen? Sie bestreiten die Anschuldigungen. Beweise gibt es nicht. Richter Burgaud und vielen anderen gefällt das aber offenbar gar nicht. Ein Anwalt bringt es später auf den Punkt:
„Er hat die Aussage eines unzurechnungsfähigen Kindes zu der einer Märchenerzählerin hinzugefügt. Das war Outreau. Es gab keine objektiven Beweise, keine Zeugen, keine genetischen Spuren oder Fingerabdrücke. ”
Er erhöht den Druck auf die Beschuldigten. Ein Verdächtiger, der siebenfache Vater François Mourmand, stirbt in der Untersuchungshaft an einer Überdosis. Bailiff Alain Marécaux wird nach einem 93-tägigen Hunergstreik für verhandlungsunfähig erklärt. Zahlreiche Zeug:innen und Sachverständige wie Psycholog:innen und Gutachter:innen werden zu Rate gezogen. Viele bestätigen die Glaubwürdigkeit der Kinder.
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Hoher Druck der Medien und ein vermeintlicher Suizid
Dass die Aussagen, vor allem die der Kinder, teilweise widersprüchlich sind und es für die Taten der anderen 13 Angeklagten keine Beweise gibt, interessiert Burgaud und Co. wenig. Selbst als die Kinder die vermeintlichen Täter:innen auf Fotos nicht identifizieren können und sie von der Verteidigung enorm unter Druck gesetzt werden, hinterfragt niemand die Methoden des Gerichts. Die Medien stürzen sich auf die Angeklagten und verurteilen sie noch vor Prozessende.
2004 werden die vier Geständigen wegen Pädophilie und Inzest zu bis zu 20 Jahren Haft verurteilt. Dann folgt der Schock: Myriam Badaoui gibt während der Urteilsverkündung unter Tränen zu, dass sie gelogen und die anderen Verdächtigen zu Unrecht beschuldigt habe. Sechs der verbliebenen 13 Personen werden daraufhin freigesprochen, die übrigen sieben aber dennoch verurteilt.
Der Fall Outreau: Ein wahres Justizfiasko
Es folgt ein Berufungsverfahren, in dem auch die Unschuld der sieben Verurteilten bewiesen werden kann. Zu diesem Zeitpunkt sind aber bereits vier Jahre seit ihrer Verhaftung vergangen. Vier Jahre, in denen die Beschuldigten ihre Kinder an das Sozialamt verloren haben, sie von Polizei und Richter:innen erniedrigt wurden, Beziehungen in die Brüche gegangen sind und ihr Ruf extrem gelitten hat.
Christine Martel, die Ehefrau des zu Unrecht verhafteten Pierre Martel, fasst die Gefühlslage vieler Betroffener gegenüber dem Guardian so zusammen:
„Ich gebe Badaoui nicht wirklich die Schuld, ich gebe der Justiz und dem Ermittlungsrichter Fabrice Burgaud die Schuld. Er war jung, erst 30 Jahre alt und hatte gerade sein Studium abgeschlossen, und er konnte das Ausmaß dessen, was sich scheinbar abgespielt hatte, nicht ertragen. Nachdem mein Mann verhaftet worden war, brauchte er sechs Monate, um der Polizei den Auftrag zu geben, Pierres Alibi zu überprüfen. Das Alibi war wasserdicht und trotzdem wurde Pierre festgehalten.”
Das Berufungsverfahren bringt eine Vielzahl von Ungereimtheiten im Prozess ans Licht. Der französische Justizminister entschuldigt sich. 2006 kommt es zum Prozess gegen Burgaud sowie weitere Richter:innen und an dem Fall beteiligte Personen. Die Medien berichten von einem abgeklärten und emotionslosen Burgaud. Am 24. April 2009 erhält er sein Urteil: einen Verweis – die geringste Strafe im französischen Justizsystem.
Die zu Unrecht Verurteilten haben bis heute keine Entschuldigung von Burgaud erhalten. Der ehemalige Richter ist immer noch in der französischen Justiz tätig. Doch er hat im Fall Outreau nicht allein gehandelt. Der Justizskandal betrifft nicht nur den damals jungen Richter, sondern das gesamte Justizsystem und die Medien, die über den Vorfall berichteten.
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