Auf diesen Tag haben Liebhaber des verstorbenen großen japanischen Filmkomponisten, Musikers, Schauspielers und Produzenten Ryuichi Sakamoto («Der letzte Kaiser») sehnlich gewartet. Heute erscheint sein posthumes Album «Opus», eine Sammlung seiner Werke, für die sich Sakamoto kurz vor seinem Tode zu einem letzten Auftritt an das Klavier setzte. Da das Musikgenie schon zu krank war, um das gesamte Set auf einmal aufzuführen, wurden die Werke in mehreren Sitzungen im legendären NHK 509 Studio in Tokio aufgenommen und gefilmt. Sakamoto starb nur wenige Monate später, im März vergangenen Jahres, im Alter von 71 Jahren an den Folgen eines langen Krebsleidens.
«Das Projekt war als eine Möglichkeit gedacht, meine Auftritte aufzuzeichnen - solange ich noch auftreten kann - und zwar auf eine Art und Weise, die es wert ist, für die Zukunft bewahrt zu werden», sagte Sakamoto nach der Aufnahme des Konzerts über «Opus», wie das Musikmagazin «Rolling Stone schreibt. «In gewissem Sinne habe ich dies als meine letzte Auftrittsmöglichkeit betrachtet, aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich neue Wege beschreiten konnte», wurde das japanische Musikgenie von dem Magazin weiter zitiert.
«Opus», für das Sakamoto ohne Publikum am Soloklavier spielte und das von seinem Sohn Neo Sora aufgenommen und in Schwarz-Weiß gefilmt wurde, umfasst den gesamten Katalog seiner Werke, mit denen Sakamoto über Jahrzehnte hinweg Musikgeschichte schrieb - angefangen mit Stücken aus seiner Zeit als Bandleader des Yellow Magic Orchestra (YMO) in den 70er und 80er Jahren, das einst mit der deutschen Band Kraftwerk zu den «Kings of Techno» gezählt wurde, bis hin zu seinen zutiefst emotionalen, Grammy- und Oscar-prämierten Filmmusiken wie «Merry Christmas, Mr. Lawrence» und «Der letzte Kaiser».
Das Album enthält aber auch eine Handvoll neuer oder noch nie veröffentlichter Aufnahmen, darunter eine überarbeitete Version des Titels «Tong Poo», der 1978 auf dem Debütalbum von YMO erschienen war. Zu den anderen neuen Stücke gehört «For Johann», eine Hommage an den verstorbenen isländischen Komponisten Johann Johannsson, sowie «BB», das für den Regisseur von «Der letzte Kaiser», Bernardo Bertolucci, geschrieben wurde. «Er beschwor Gefühle herauf, für die wir noch keine Namen haben», beschrieb die Kulturjournalistin Sophie Monks Kaufman Sakamotos Schaffen. Ihr würdigendes Zitat über Ryuichi Sakamoto ist im Vorspann des US-Trailers zum gleichnamigen Film «Opus» verewigt.
Vom Jazz zum Techno
Das Klavierspielen hatte Sakamoto, der am 17. Januar 1952 in der Nähe von Tokio als Sohn eines Verlagsleiters und einer Hutdesignerin geboren wurde, schon als kleiner Junge gelernt. In der japanischen Hauptstadt studierte er Komposition. Sein erstes Album «Thousand Knives», eine Mischung aus Electropop, Jazz und experimenteller Musik, erschien, als er 26 war. Ausgiebig experimentierte Sakamoto, der schon in der Schulzeit in Jazzbands spielte, mit elektronischen Klangerzeugern und erforschte die musikalischen Traditionen und Eigenheiten in Ländern der Dritten Welt. Zu Weltruhm gelangte Sakamoto, als er sich Ende der 70er YMO anschloss. Er wurde zu einem der damals härtesten Techno-Musiker der Welt.
An seiner ungezügelten Wissbegierde und Experimentierfreude lag es, dass so gut wie jede seiner Platten anders klingt als die früheren. Zudem schrieb der Japaner für zahlreiche Filme die Musik, darunter auch Volker Schlöndorffs «Die Geschichte der Dienerin». 2014 war bei Sakamoto Rachenkrebs diagnostiziert worden. Nachdem der Krebs zwischenzeitlich zunächst besiegt schien, stellten seine Ärzte 2021 bei ihm Enddarmkrebs fest. Sakamoto musste sich Operationen unterziehen, um den Krebs zu entfernen, der sich auf beide Lungenflügel ausgebreitet hatte. «Opus» sollte sein letzter Auftritt werden - für die Ewigkeit.