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Universalkünstler Günther Uecker wird 95

Der Nagel machte Günther Uecker berühmt, aber sein Werk ist viel größer und von umfassender Mitmenschlichkeit geprägt. Jetzt wird der Universalkünstler 95 Jahre alt.
Schweriner Dom feiert Uecker-Kirchenfenster
Der Künstler Günther Uecker feiert Geburtstag. (Archivbild) © Markus Scholz/dpa

Dass der Nagel in die Kunstgeschichte eingehen konnte, ist Günther Uecker zu verdanken. Seit Jahrzehnten hämmert der weltweit bekannte Künstler lange Zimmermannsnägel auf Leinwände und in Alltagsgegenstände wie Stühle, Schuhe, Nähmaschine, Klavier und sogar in ein Brot. Aus unzähligen Nägeln entstehen aus Ueckers Händen rhythmisch wogende Reliefs, Spiralen oder Kreise, die er «Empfindungswerte aus der Zeit» nannte. 

Heute wird der gebürtige Mecklenburger, der seit rund 70 Jahren in Düsseldorf lebt, 95 Jahre alt. Ueckers Tatendrang und Wissensdurst ist trotz des hohen Alters ungebrochen. Unzählige Länder hat der Universalkünstler mit dem herzlichen Lachen bereist und seine künstlerischen Friedensbotschaften auch in entlegene Ecken der Welt getragen. 

Tadschikistan steht auf der To-Do-Liste

Im Mai steht eine Ausstellung in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe an. Wer kommt schon auf die Idee, in die ehemalige zentralasiatische Sowjetrepublik zu fliegen, die an Afghanistan grenzt und nicht gerade ein Vorbild für Demokratie ist? «Er hat fest vor, hinzufliegen», sagt Ueckers Sohn Jacob. 

Ob China, Russland, Ägypten, Iran oder Zentralasien - Uecker war und ist ein begehrter Kulturexport. Der massige Mecklenburger ließ sich dabei nie den Mund verbieten. Er malte Aschebilder nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 und kämpfte für Navajo-Indianer. 1994 wurde eine Uecker-Schau in Peking abgesagt, 2007 durfte sein Zyklus aus Menschenrechtsbotschaften («Brief an Peking») dann doch dort gezeigt werden - immerhin eine Woche.

Orte der Sehnsucht im Norden

Ueckers Kunst geht weit über Nagellandschaften hinaus. Er arbeitete mit Papier, Holz, Stoff, Stein, Asche, Sand und zuletzt Glas. Im Dezember wurden die von ihm entworfenen himmelblauen Fenster im Schweriner Dom eingeweiht. Für ihn kamen die Fenster einer Heimkehr gleich. «Meine Tränen flossen, meine Gefühle übermannten mich bei der Einweihung der Fenster», bekannte der 1930 in Wendorf bei Schwerin geborene Uecker im Interview der «Rheinischen Post». «Der Ort der Sehnsucht ist die Heimkehr.»

Uecker wuchs auf der Halbinsel Wustrow an der Ostsee auf und erlebte dort das Ende des Zweiten Weltkriegs. Schon damals spielte der Nagel eine Rolle in seinem Leben. Aus Angst vor der heranrückenden Sowjetarmee habe er das Haus verbarrikadiert und von innen zugenagelt, um seine Mutter und die Schwestern zu schützen, erzählte Uecker einmal. Künstlerischer Auslöser für den Einsatz des Nagels aber sei die Losung der Russischen Revolution gewesen, die Poesie werde «mit dem Hammer gemacht». 

Ein großes Herz

Großzügigkeit, Herzlichkeit, Empathie und Engagement machen den Künstler und Menschen Uecker aus. Für die Fenster im Schweriner Dom nahm er kein Geld. Vor Jahren ließ er ein Nagelbild versteigern, dessen Erlös von rund 400.000 Euro er an die Kirchengemeinde der Ostseegemeinde Rerik für neue Kirchenglocken spendete. In Rerik bei Wustrow war Uecker einst zur Schule gegangen. 

Kürzlich stiftete Uecker zwei Prägedrucke im Andenken an die Jüdin Lilli Marx (1921-2004), um seine Verehrung und sein Mitgefühl für die Juden auszudrücken. 2023 errichtete Uecker in Weimar ein Steinmal zur Erinnerung an die Opfer des NS-Konzentrationslagers Buchenwald.

«Das Thema meiner künstlerischen Arbeit ist die Verletzbarkeit des Menschen durch den Menschen», sagte der mit vielen Preisen ausgezeichnete Uecker, als er im Jahr 2000 in den Orden Pour le mérite aufgenommen wurde. Geprägt ist Uecker von tiefem Humanismus: «Die Tötung von Menschen zu verhindern, das Anliegen muss uns alle verbinden», sagte er der «Rheinischen Post»

ZERO war der Anfang

Eng verbunden ist Ueckers künstlerischer Weg mit der ZERO-Gruppe, auch wenn diese Phase nur einen kleinen Teil seines umfassenden Werks einnahm. 1961 stieß Uecker zu der von Otto Piene und Heinz Mack gegründeten Künstlergruppe hinzu, die mit ihrer futuristisch-puristischen Kunst für Aufbruchstimmung sorgte - und sich wenige Jahre später wieder auflöste. 

Zum 95. Geburtstag Ueckers hat die von ihm 2008 mitbegründete ZERO Foundation eine kleine Ausstellung in den Räumen seines ehemaligen Ateliers aus den frühen 1960er Jahren zusammengestellt. Begleitend dazu haben Freunde und Wegbegleiter in einem berührenden Freundebuch geschrieben, was ihnen Uecker bedeutet. «Und ich sehe Dich, spontan weit beide Arme öffnen», schreibt die Schriftstellerin Ingrid Bachér über den jungen Uecker. «Deine schöne Geste des Überschwanges (...)».

Spektakuläre Aktionen an der Kunstakademie

In der DDR wurde Uecker zum Reklamegestalter ausgebildet und musste einst ein 20 Meter hohes Stalin-Bild malen. 1955 kam Uecker an den Rhein, er studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Otto Pankok und wirkte dort von 1974 bis 1995 dort selbst als Professor. Einer der spektakulärsten Uecker-Auftritte: 1978 ritt er auf einem Kamel durch die Gänge der Düsseldorfer Kunstakademie. 

Aufsehenerregende Bühnenbilder gehören zu Ueckers Werk ebenso wie der Andachtsraum im Berliner Reichstag. Hunderte von Nägeln durchbohren dort ein Kreuzmotiv. Der Nagel blieb immer Ueckers bevorzugtes künstlerisches Werkzeug. 

Der vom Zen-Buddhismus beeinflusste Künstler blieb trotz des Erfolges und der bis in die Million gehenden Preise für seine Nagelbilder immer bodenständig. In seinem Atelier in einem ehemaligen Speicher hat Uecker einen kleinen «Familienbetrieb» um sich gesammelt. So nennt er das Team mit seiner Frau Christine und Sohn Jacob. 

«Das Eigentliche ist noch nicht getan»

Sein Werk sieht Uecker als nicht vollendet an. «Das Eigentliche ist noch nicht getan» - diese Worte wiederholte er oft. Was Uecker damit genau meint, lässt er auch mit 95 Jahren im Ungefähren. «Wir nähern uns dem, was nicht getan ist und versuchen, es im Werden zu ergründen», schreibt er der Deutschen Presse-Agentur in einem schriftlichen Interview. 

Uecker arbeitet weiterhin in seinem Atelier. «Jetzt arbeite ich an großen Aquarellen.» Die Dimension ist ziemlich groß: Es handelt sich um Querformate von 300 mal 150 Zentimetern. Und Uecker berichtet auch: «Ich wollte immer schon recht alt werden.»

© dpa ⁄ Dorothea Hülsmeier, dpa
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