Kann man diesen Künstler noch bewundern oder sollte man ihn «canceln»? Mit einer neuen Ausstellung gibt das Kunstforum Wien Denkanstöße zu Paul Gauguin (1848–1903). Er ist heute umstritten. Seine Vorliebe für junge Mädchen aus den damaligen französischen Kolonien spiegeln sich in seinem Privatleben und in seinem Werk wider.
«Als Künstler ist Gauguin ein Titan», sagt die Direktorin des Kunstforums Wien, Ingried Brugger. Seit einiger Zeit sei er aber «der aktuelle "Bad Boy" der Moderne», betont sie. Der Franzose wird unweigerlich mit Vorwürfen von Kolonialismus, Rassismus und Sexismus assoziiert. Mit der Ausstellung «Gauguin: Unexpected» zeigt die österreichische Hauptstadt bis Januar 80 Werke aus unterschiedlichen Schaffensperioden des Künstlers.
Gauguin: «Kritik ist unsere Zensur...»
Gauguin sei ein Zivilisationsflüchtling gewesen, sagt Kuratorin Evelyn Benesch. Seine jungen Jahre verbrachte er in Peru - ein Sehnsuchtsort, den er später in Französisch-Polynesien immer wieder suchen wird.
Mit 43 Jahren auf Tahiti angekommen, entwickelte er einen farbenfrohen Bildkosmos. Dabei zeigte er eine ambivalente Haltung: Er störte sich an der fortschreitenden Kolonialisierung der Region und soll ein Verfechter der Kultur und Traditionen der Einheimischen gewesen sein.
Gleichzeitig genoss er die Annehmlichkeiten der französisch beherrschten Kolonie. «Gauguin war ein Kind dieser Zeit», sagt die Direktorin Brugger. Er lebte während seiner Aufenthalte mit vielen jungen Frauen im Alter von etwa 14 Jahren, und er malte sie auch.
Das Schutzalter der Frauen in den französischen Kolonien lag damals bei 13 Jahren, somit waren sie nicht minderjährig, sagt Brugger. Das mag aus heutiger Sicht «ekelhaft» sein. Es war aber legal.
Einen Monat vor seinem Tod schrieb Gauguin: «Kritik ist unsere Zensur...». Seine Sehnsucht, der Zivilisation zu entfliehen und ins Paradies zu gelangen, blieb unerfüllt. Über sein Leben und seine Kunst diskutiert man noch heute.