Europa sollte sich aus Sicht der Historikerin Anne Applebaum nicht länger auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika verlassen. «Wenn Europa eine liberal-demokratische Bastion bleiben will, muss es sich darauf vorbereiten, das ohne die USA zu tun», sagte die 60-Jährige der Deutschen Presse-Agentur auf der Frankfurter Buchmesse. Applebaum («Die Achse der Autokraten») wird am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.
Sie könne keine Prognose abgeben, ob Kamala Harris oder Donald Trump im November die US-Präsidentschaftswahl gewinne, dafür sei das Rennen zu knapp. Ihr Rat sei aber der gleiche, wer auch immer gewinne. «Es ist sehr wichtig, dass Europäer einen alternativen Plan haben - für die Selbstverteidigung, aber auch ökonomisch.» Das gelte für einen Wahlsieg Trumps ebenso wie für einen Wahlsieg von Harris.
«Ich bin ziemlich sicher, dass Trump nicht der Anführer einer großen demokratischen Koalition sein wird, um die Autokratie zurückzudrängen», sagte Applebaum, aber er sei auch kein kommender Autokrat.
Trump habe zwar, so die Historikerin, kein intuitives Verständnis für Liberalität und Demokratie und er sympathisiere mit illiberalen Führern, «ich würde ihn aber nicht in die Kategorie Autokratie stecken», sagte Applebaum. «Donald Trump ist vor allem für sich selbst Politiker. Er interessiert sich für seine eigene Macht und sein eigenes Geld.»
Applebaum wurde als Kind jüdischer Eltern in den USA geboren. Neben der US-amerikanischen besitzt sie auch die polnische Staatsbürgerschaft. Sie ist mit Radoslaw Sikorski verheiratet, dem heutigen Außenminister Polens. Sie arbeitet als Journalistin und schrieb Bücher wie «Der Gulag» (2003), «Der Eiserne Vorhang» (2012), «Die Verlockung des Autoritären» (2021) und zuletzt «Die Achse der Autokraten» (2024).