Justus Frantz ist ein Kämpfer. Schon zwei Mal wäre er beinahe an einer Blutvergiftung gestorben, aber immer wieder schaffte es der Hamburger Pianist und Dirigent, sich wieder aufzurappeln.
«Ich hatte eine lebensgefährliche Sepsis und musste in Russland auf die Reanimation-Station», sagte Frantz in Hamburg am Rande der Vorstellung seiner Biografie «Justus Frantz – Künstler zwischen den Welten», die im Hamburger Maximilian Verlag erschienen ist. Der Musiker hatte seinen Sohn Justus Konstantin (19) besucht, der zurzeit bei seiner Mutter in Russland lebt und ebenfalls eine Karriere als Pianist gewählt hat. An diesem Samstag (18. Mai) feiert Frantz seinen 80. Geburtstag.
Verdienste sind unbestritten
Kein Klassikstar in Deutschland ist wohl so bekannt, aber auch so umstritten, wie Justus Frantz. Er spielte als Pianist mit Herbert von Karajan und Leonard Bernstein, gründete 1986 das Schleswig-Holstein Musikfestival - und wurde zuletzt wegen seiner künstlerischen Aktivitäten in Russland nicht mehr zu «seinem» Festival eingeladen. Auch bei der Finanzierung seiner zahlreichen Projekte gab es immer wieder Probleme, gleichwohl sind seine Verdienste - vor allem um die Vermittlung klassischer Musik - unbestritten.
Wie man in schwierigen Zeiten seinen Lebensmut nicht verliert, musste Frantz schon als Kind lernen. 1944 in Hohensalza (heute: Inowroclaw/Polen) geboren, floh seine Mutter mit ihm und den vier Geschwistern Ende des Zweiten Weltkriegs nach Norddeutschland. Er wäre fast erfroren, während Tiefflieger an der Familie vorbeiflogen, erzählte man ihm später. Sein Vater, ein Oberstaatsanwalt in Breslau, war vor seiner Geburt an der Front gefallen. Freunde der Familie im holsteinischen Testorf machten den kleinen Justus mit der Musik vertraut, organisierten Hausmusikabende, stellten ein Kammerorchester zusammen.
Da er selbst kein Instrument spielen konnte, fühlte er sich ein wenig ausgeschlossen. «Das hat in mir den Ehrgeiz geweckt, auch dazuzugehören», erinnerte sich Frantz in einem dpa-Gespräch. Mit zehn Jahren hat er das Klavierspiel begonnen. Erkannt und gefördert wurde seine außergewöhnliche Begabung schon früh von der Pianistin Eliza Hansen. Unter dem Einfluss seines musikbegeisterten Onkels nahm er ein Studium an der Hamburger Musikhochschule auf mit den Schwerpunkten Klavierspiel und Dirigieren.
«Unverbrüchliche Gemeinschaft» mit Leonard Bernstein
Der Durchbruch gelang ihm mit 26 Jahren als Pianist mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Sein Debütkonzert in den USA absolvierte Frantz 1975 bei den New Yorker Philharmonikern unter der Leitung von Leonard Bernstein, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verband. «Mit Lenny hatte ich eine intellektuell und künstlerisch geprägte Freundschaft», erinnert sich Frantz in seiner Biografie. «Ich weiß, dass Lenny sich in mich verliebt hatte.» Beide seien eine «unverbrüchliche Gemeinschaft» gewesen, bis zu Bernsteins Tod im Oktober 1990 in New York.
Zusammen mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und dem damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) entstand die Idee zum Schleswig-Holstein Musikfestival (SHMF), dessen Intendant er 1986 wurde. «Ein Festival mit Konzerten auf dem Land gab es damals noch nicht», erinnert sich der Dirigent.
Doch nach Querelen um ein Defizit in Millionenhöhe trat er 1994 als Intendant zurück. Auch danach stand der Dirigent als Musikmanager öfter in der Kritik. 2001 sorgten Medienberichte über ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue und Konkursverschleppung im Zusammenhang mit seinem Orchester, der Philharmonie der Nationen, für Wirbel. Das Verfahren wurde 2003 gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. 2017 kam es zum Bruch mit dem Mäzen Reinhold Würth.
Irritation wegen Nähe zu Russland
Zuletzt irritierte Frantz, der einem breiten Publikum durch die Fernsehsendung «Achtung, Klassik!» (ZDF) bekannt wurde, mit seinen engen Beziehungen zu Russland. Trotz des Angriffskrieges gegen die Ukraine tritt er immer wieder in Russland auf - als Dirigent, Pianist und auch als Jurymitglied bei Wettbewerben.
«Kunst ist immer Brücke und nie Waffe», rechtfertigt der Musiker seine Auftritte. Als Konsequenz wurde er nicht mehr zum Schleswig-Holstein Musikfestival eingeladen. Eine Vielzahl von Gründen habe eine Einladung von Justus Frantz unmöglich gemacht, sagte Festivalleiter Christian Kuhnt. «Sein Engagement in Russland ist einer davon.»