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«Bedeutet mir alles»: Varfolomeev Gymnastik-Olympiasiegerin

Deutschland hat eine erste Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik. Darja Varfolomeev erfüllt in Paris die hohen Erwartungen. Die Potsdamerin Margarita Kolosov turnt ebenfalls top.
Paris 2024 - Rhythmische Sportgymnastik
Paris 2024 - Rhythmische Sportgymnastik
Paris 2024 - Rhythmische Sportgymnastik

Erst schluchzte Darja Varfolomeev ihr Glück und ihre Erleichterung heraus, dann strahlte sie mit der Goldmedaille um den Hals voller Stolz. 345 Tage nach ihrem Fünffach-Triumph bei den Weltmeisterschaften hat sich die 17-Jährige zur ersten deutschen Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik gekrönt. «Das bedeutet mir alles. Es fühlt sich unglaublich an, dass die ganze Arbeit, der Schweiß, das Weinen, die Schmerzen sich gelohnt haben und ich eine Goldmedaille um den Hals habe», sagte sie.

Varfolomeev triumphierte in Paris im Mehrkampf mit Reifen, Ball, Keulen und Band mit 142,850 Punkten und brach nach Bekanntgabe der Wertung in Tränen aus. «Ich bin einfach nur froh, dass ich vier saubere Übungen gezeigt habe und das bis zum Ende durchgezogen habe», sagte sie. «Dann kamen die Emotionen, dass ich das geschafft habe.» 

Für den Deutschen Turner-Bund (DTB) war es zugleich die erste Medaille bei den Spielen in Frankreichs Hauptstadt und die erste Olympia-Plakette in der Gymnastik seit Bronze durch Regina Weber 1984 in Los Angeles.

Vierter Platz für Kolosov tut weh

Zweite wurde Borjana Kaleyn aus Bulgarien mit 140,600 Punkten vor der italienischen Mitfavoritin Sofia Raffaeli (136,300). Die deutsche Mehrkampf-Meisterin Margarita Kolosov aus Potsdam belegte mit 135,250 Punkten den starken vierten Platz und weinte danach hemmungslos. 

«Das ist ganz schade, denn der vierte Platz ist der, der am meisten wehtut», sagte Varfolomeev, die ihre Trainingskameradin tröstete. «Ich habe dann gesagt, es wird noch Marga, wir warten ab, es gibt noch nächste Olympische Spiele, zu denen wir hoffentlich zusammen fahren und zeigen, was wir können», berichtete die Olympiasiegerin.

Unsicherheiten in der Qualifikation verflogen

Noch in der Qualifikation am Vortag hatte Varfolomeev einen wackligen Auftritt hingelegt. Bei der Reifenübung war ihr das Gerät weggesprungen und von der Bodenfläche gerollt, sodass sie mit einem Ersatzreifen zu Ende turnen musste. Und auch ein Knoten im Band, den sie behände lösen konnte, kostete sie wertvolle Punkte. Dennoch war die zweifache Europameisterin Zweite der Ausscheidung hinter Raffaeli und noch vor Kaleyn.

Im Finale war dann von den Unsicherheiten nichts mehr zu sehen. Hochkonzentriert und mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit präsentierte die ausdrucksstarke Gymnastin ihre mit Höchstschwierigkeiten gespickten Übungen. Nach drei Geräten lag sie schon 2,3 Punkte vor der Zweiten. Nach der abschließenden Bandübung schlug sie erleichtert auf den Boden und holte sich dann eine herzliche Umarmung ihrer Trainerin Yuliya Raskina ab.

«Ich kann kaum verstehen, was passiert ist», sagte die 42-Jährige und erinnerte an die unrunde Vorbereitung auf Paris: «Jeder Wettkampf war wie Olympia, genauso stressig, alle haben geguckt, alle haben kommentiert und prognostiziert, was möglich ist und was nicht. Es war wahnsinnig schwer.» Und Varfolomeev ergänzte: «Von Anfang der Saison an wussten wir, dass unser Ziel nur die Olympischen Spiele sind. Die Wettkämpfe davor waren nur Probe.»

Die Rhythmische Sportgymnastik ist seit 1984 in Los Angeles im olympischen Programm. Damals gewann Regina Weber als bislang einzige Deutsche eine Medaille. Die Mutter von Fußball-Nationalspieler Leroy Sané wurde Dritte. 

Dank Großvater nach Deutschland

Mit dem Olympiasieg hat Varfolomeev auch einen außergewöhnlichen Karriereweg vergoldet. Mit drei Jahren hat sie angefangen, wie ihre Mutter Rhythmische Sportgymnastik zu betreiben. Als Zwölfjährige kam sie zunächst ohne Eltern und ohne die Sprache zu sprechen, aus dem westsibirischen Barnaul nach Deutschland. 

Dank eines deutschen Großvaters konnte sie die Staatsbürgerschaft wechseln. Inzwischen lebt sie mit ihrem Vater und ihrer Chihuahua-Hündin in Fellbach unweit von Stuttgart. Ihre Mutter ist weiterhin in Russland, war aber wie ihre gesamte Familie beim Gold-Coup in der Arena Porte de La Chapelle. «Auf jeden Fall hat sich alles gelohnt, denn das war meine Entscheidung allein, nach Deutschland zu kommen, um mein Ziel zu erreichen. Zuerst war mein Ziel nur Olympische Spiele und nach dem letzten Jahr hat man verstanden, dass man mehr von sich erwarten kann», sagte und verschwand in den Kreis ihrer Familie.

© dpa ⁄ Martin Kloth, dpa
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