Der Freude über Olympia-Silber folgten bei Malaika Mihambo viele Tränen und sogar der Abschied in einem Rollstuhl. Die 30-Jährige musste im Stade de France nach der schwer erkämpften Weitsprung-Medaille von Helfern aus der Arena in Saint-Denis gebracht werden. Wie schon vor zwei Jahren nach EM-Silber in München hatte die große Olympia-Hoffnungsträgerin nach einer Corona-Infektion alles gewagt und gegeben.
Schon bevor Speerwerfer Julian Weber als Sechster ohne die erhoffte Medaille blieb, gelang Mihambo kein goldener letzter Sprung wie vor drei Jahren in Tokio. Dort habe sie keine körperlichen Probleme gehabt, betonte sie danach. Die Auswirkungen der Corona-Infektion, die sie schon beim zweiten EM-Titel in Rom vor zwei Monaten gespürt hatte, brachten Mihambo diesmal an ihre körperlichen Grenzen.
Hustenanfälle in der Nacht
«Es ist einfach die letzten Wochen schwergefallen. Ich hatte einfach starke Probleme mit den Lungen», sagte sie knapp zwei Stunden später und berichtete von Hustenanfällen, die sie nachts nur schwer schlafen ließen.
«Von daher bin ich unheimlich stolz auf meine Leistung. Das muss erstmal jemand schaffen, so gehandicapt an den Start zu gehen und da noch eine Silbermedaille rauszuholen.» Nach ihrer Ehrenrunde musste MIhambo um medizinische Hilfe bitten, weil sie keine Luft mehr bekam.
«Ich weiß nur, dass sie nach ihrer Erkrankung immer noch gesundheitliche Probleme hatte und der Husten nicht abgeklungen war», sagte Weber nach seinem Wettkampf über die Teamkollegin. Der deutsche Verband teilte mit, dass Mihambo Atemprobleme habe. «Malaika hat Silber gewonnen und nicht Gold verloren», lautete die Einschätzung von Trainer Ulli Knapp über seine kampfstarke Athletin.
«Das überfordert ihren Körper»
Erst einige Zeit und nach der Freude über Silber mit einer deutschen Fahne schien sie ihrem Trainer anzudeuten, dass sie keine Luft bekomme. Vor Olympia hatte sie mehrmals erklärt, möglicherweise nicht alle sechs Sprünge zu absolvieren.
«Das ist schlimm zu sehen. Das überfordert ihren Körper. Der Geist ist immer frisch, aber der Körper kriegt es nicht auf die Reihe», sagte TV-Experte Frank Busemann in der ARD. «Das sind alles Vollblutprofis. Die müsste man mit dem Kopf unter dem Arm raustragen. Die wollen leisten», fügte der einstige Olympia-Zweite im Zehnkampf dazu.
Zweite deutsche Medaille
Mihambo landete bei ihrem besten Versuch bei 6,98 Metern. Damit sprang die 30-Jährige zwölf Zentimeter weniger als Tara Davis-Woodhall aus den USA. Das reichte immerhin zur zweiten deutschen Leichtathletik-Medaille nach Silber für Zehnkämpfer Leo Neugebauer.
Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye und die deutsche Sprint-Staffel der Frauen gehen an diesem Freitagabend mit Außenseiterchancen auf Edelmetall in ihre Finals. Angepeilt hat der deutsche Verband bei den Spielen von Paris drei Medaillen.
Mit einem weiteren Erfolg hätte Mihambo als erste Weitspringerin der Olympia-Geschichte zweimal nacheinander Gold geholt. Die Athletin der LG Kurpfalz ist außerdem je zweimal Weltmeisterin und Europameisterin.
Tokio-Sechste ganz oben
In eine US-Fahne gehüllt und mit einem bunten Cowboy-Hut feierte diesmal Davis-Woodhall. Die 25 Jahre alte WM-Zweite war 2021 in Tokio noch Sechste gewesen. Bronze bejubelte ihre US-Teamkollegin Jasmine Moore mit 6,96 Metern.
Ihren EM-Titel vor zwei Monaten in Rom hatte sich Mihambo mit der Jahresweltbestleistung von 7,22 Metern gesichert. Damit brachte sie sich auch in die Favoritenrolle für Olympia. Eine Corona-Infektion bremste die dreimalige Sportlerin des Jahres danach in der Vorbereitung aus, trotzdem kam sie rechtzeitig wieder in Form. Die Qualifikation im Stade de France meisterte Mihambo nach zwei ungültigen Versuchen erst im letzten Sprung mit 6,86 Meter.
Verhaltener Start
Im Finale vor 70.000 Zuschauern, unter ihnen Rapper Snoop Dogg und Turn-Star Simone Biles, startete Mihambo verhalten. Sie hatte ihren Anlauf extra rund einen Meter nach hinten verlegt, um das Brett besser zu treffen als in der Qualifikation.
Davis-Woodhall segelte im zweiten Durchgang als erste über die Sieben-Meter-Marke - auf 7,05 Meter. Mihambo tastete sich an die sieben Meter heran und sicherte damit immerhin ihre zweite Olympia-Medaille. «Komm schon», sagte sie vor ihrem letzten Versuch - und lief dann durch.
Olympischer Rekord im Speerwerfen
Weber mühte sich vergeblich. Der 29 Jahre alte Mainzer warf 87,40 Meter und musste sich mit Rang sechs begnügen. Gold ging an den WM-Zweiten Arshad Nadeem aus Pakistan, dessen Speer auf bei der olympischen Rekordweite von 92,97 Metern landete.
«Ich habe beim Einwerfen noch locker über 90 Meter geworfen. Es ist ärgerlich, dass ich nicht zeigen konnte, was ich drauf habe», sagte Weber.
Tokio-Olympiasieger und Weltmeister Neeraj Chopra aus Indien wurde mit 89,45 Metern Zweiter. Ex-Weltmeister Anderson Peters aus Grenada holte sich mit 88,54 Metern Bronze. Der Leverkusener Max Dehning war in der Qualifikation ausgeschieden.