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Ü30-Fraktion schrumpft: Neue DFB-Achse und Kapitän gesucht

Erst Kroos, dann Müller, nun Gündogan. Die Nationalelf steht nach der Heim-EM personell vor einer Zäsur. Auf den Bundestrainer kommen etliche Entscheidungen zu. Keeper Neuer hat sich wohl entschieden.
Ilkay Gündogan (l) und Julian Nagelsmann
Joshua Kimmich
Manuel Neuer

In seiner Abschiedserklärung streift Ilkay Gündogan auch das große Ziel, zu dem er die Fußball-Nationalmannschaft nach reiflicher Bedenkzeit nicht mehr als Kapitän führen wird. «Ich hoffe sehr, dass gemeinsam der Aufwärtstrend fortgesetzt werden kann – und dann spricht auch nichts dagegen, bei der WM 2026 zu den engsten Titelanwärtern zu zählen. Wir haben einen fantastischen Trainer, eine richtig starke Mannschaft und einen tollen Teamgeist.» Die Perspektive beim Team passt - aber nicht mehr die für ihren Anführer. 

Das geht jedenfalls aus den elf Sätzen hervor, mit denen ein dankbarer Gündogan etwas überraschend seine DFB-Karriere beendet; nach 13 Jahren, 82 Länderspielen, 19 Toren. Und nach einer Nationalmannschaftslaufbahn mit viel Verletzungspech, die nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen Spanien bei der Heim-EM titellos und unvollendet bleibt. «Es war mir eine Ehre!», äußerte der 33-Jährige über seine Social-Media-Kanäle. 

Der Vielspieler Gündogan verhehlte nicht den Hauptgrund für seinen Rückzug. Obwohl die WM in den USA, Kanada und Mexiko auch nach seinen Worten mit einer wiedererstarkten Nationalelf sehr reizvoll ist, scheint ihm der Weg einfach zu weit und zu beschwerlich. Bereits vor der EM habe «ich in meinem Körper, aber auch in meinem Kopf eine gewisse Müdigkeit» verspürt. Und diese habe ihn nach dem Turnier «zum Nachdenken gebracht».

Das sieht bei Manuel Neuer wohl anders aus. Auch wenn der mehrmalige Welttorhüter mit seinen 38 Jahren ebenfalls schon einige schwerwiegende Verletzungen hinter sich hat, will er nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung im DFB-Dress weitermachen und nach bisher 124 Länderspielen die WM in zwei Jahren als deutsche Nummer eins in Angriff nehmen. 

Nagelsmann dankt Gündogan und öffnet eine Hintertür 

Gündogans Entscheidung hat nun vielfältige Auswirkungen auf das DFB-Team und Bundestrainer Julian Nagelsmann. Erst Toni Kroos (34), dann Thomas Müller (34), jetzt Gündogan. Die Ü30-Fraktion wird zum Nations-League-Start Anfang September deutlich schrumpfen. Der sehr erfahrene, aber auch alte EM-Kader erhält jene Verjüngung, die Nagelsmann schon im Turnierverlauf für nötig erklärt hatte.

Gündogans Ausscheiden war dabei nicht vorgesehen in Nagelsmanns neuem Projekt «Weltmeister 2026». Den ersten Nach-EM-Kader für die Länderspiele gegen Ungarn am 7. September in Düsseldorf und drei Tage darauf in Amsterdam gegen Erzrivale Niederlande wird der Bundestrainer in der kommenden Woche bekanntgeben. 

«Ilkay war ein herausragender Kapitän, mit dem ich gerne noch weitergearbeitet hätte», äußerte der 37-Jährige. Und Nagelsmann fügte sogar hinzu: «Die Tür bei der Nationalmannschaft ist nie ganz geschlossen.» Siehe Kroos, den Nagelsmann nach dem DFB-Rücktritt 2021 für die Heim-EM zum Comeback im Nationaltrikot überreden konnte.

Dank gab es auch von den Teamkollegen. «Als Kapitän hast Du uns durch unsere Heim-EM geführt. Ins Viertelfinale und zurück in die Herzen der Fans», hieß es in einem Post des DFB-Auswahl bei X.

Warten auf die Neuer-Entscheidung

Eine WM-Hintertür könnte auch eine Lösung bei Neuer sein. Deutschlands Rekordtorwart hat es bislang vermieden, sich klar in puncto DFB-Team zu positionieren. Der 124-malige Nationalspieler ist für seinen Ehrgeiz bekannt. DFB-Sportdirektor Rudi Völler hat gerade erst eine zeitnahe Entscheidung angekündigt, «was Manuel angeht». Der «erste Aufschlag, wie es weitergeht», liege dabei beim Weltmeister-Torwart von 2014, meinte Völler. Auch Neuer hatte in seinen bisherigen Äußerungen vielsagend auf das Kroos-Modell hingewiesen.

Klar ist: Die Hierarchie, die Struktur und auch die Achse der Nationalmannschaft auf dem Platz werden sich gravierend verändern. Nagelsmann braucht neue Lösungen, auch in der Kapitänsfrage. Bayern-Profi Joshua Kimmich (29), schon Stellvertreter von Gündogan, wäre eine naheliegende Nachfolgelösung. Abwehrchef Antoni Rüdiger (31) wäre auch denkbar.

Kapitän gesucht, Umbau der Achse mit Groß

Aus der EM-Achse brechen beim Aufbruch zum nächsten großen Turnier in zwei Jahren womöglich Neuer, Kroos und Gündogan weg. Müller besetzte schon bei der EM nur noch eine Nebenrolle. Wichtiger werden soll unter anderem der Neu-Dortmunder Pascal Groß (33), schon bei der EM im Mittelfeld der Backup für Kroos. 

«Pascal ist einer, der einen ähnlichen Stil spielen kann», sagte Nagelsmann. Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic (20), der wegen einer Mandel-Operation die EM verpasste, und der Stuttgarter Angelo Stiller (23) sind Akteure, denen die Zukunft im Zentrum gehören könnte.

Kimmich als Profiteur 

Kimmich könnte zum großen Profiteur des Gündogan-Rücktritts werden. Versetzt ihn Nagelsmann nun wieder vom rechten Außenverteidigerposten ins Lieblingsrevier im Mittelfeld? Das wäre eine zusätzliche Aufwertung des 91-maligen Nationalspielers Kimmich zum möglichen Kapitänsamt. Unter dem neuen Bayern-Coach Vincent Kompany spielt Kimmich in München wieder im Mittelfeld. Das könnte auch die Pläne des Bundestrainers beeinflussen. 

Nagelsmann hatte nach dem EM-Aus betont, dass er den älteren Spielern wie Neuer, Müller oder auch Gündogan die Zukunftsentscheidung zunächst selbst überlassen wolle. Bange wird ihm ohne die Routiniers nicht. «Wir haben einen großen Grundstock an Spielern, die 26, 27, 28 sind und auf jeden Fall noch die WM spielen können», sagte der Bundestrainer.

Gündogan von Barça zurück zu Guardiola?

Gündogans Zukunft bleibt derweil abseits der DFB-Klärung spannend. Klar ist, der 33-Jährige wird weiter Vereinsfußball spielen, aber wo? Nach Medienberichten soll der FC Barcelona dem letztjährigen Stammspieler klar mitgeteilt haben, dass er das inzwischen von Ex-Bundestrainer Flick trainierte Barça noch in diesem Transferfenster vorzeitig verlassen soll. Ein Comeback von Gündogan bei Manchester City scheint dabei nicht ausgeschlossen. City-Coach Pep Guardiola soll seinen Ex-Kapitän wieder im City-Team haben wollen.

© dpa ⁄ Klaus Bergmann, dpa
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