An entspannte Tage vor den nahenden Länderspielen ist für Julian Nagelsmann in dieser Woche nicht zu denken. Am Montag musste der Kapitän verabschiedet werden, am Mittwoch der Weltmeister-Torwart, und dann wird sich der Bundestrainer aller Voraussicht nach auch noch in dem ein oder anderen Stadion blicken lassen, um seine Nationalspieler zu beobachten. Die DFB-Auswahl, die sich im September mit dem Fernziel WM(-Titel) 2026 trifft, wird eine andere sein als noch vor ein paar Wochen bei der umjubelten Heim-EM.
Nach den Rücktritten von Ilkay Gündogan (33) und Manuel Neuer (38) muss Nagelsmann zwei systemkritische Stellen neu besetzen. Bestenfalls so, dass sich auf dem Weg zum WM-Turnier in Kanada, Mexiko und den USA keine Dauerdiskussion entzündet.
Ter Stegen der erste Anwärter
Zumindest im Tor scheint die Antwort zunächst einfach wie naheliegend: Neuers ewiger Kronprinz Marc-André ter Stegen (32) darf sich nach jahrelangem Warten auf Dauer beweisen. Beim FC Barcelona, immerhin einer von vielleicht fünf Vereinen mit absolutem Weltruhm, glänzt der einstige Bundesligaprofi konstant mit sicheren Auftritten.
«Marc-André ter Stegen hat lange genug gewartet. Er hat es aufgrund seiner Leistungen verdient, jetzt die Nachfolge von Manuel Neuer anzutreten», sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus der Deutschen Presse-Agentur - nicht aber ohne hinterherzuschieben: «Und dahinter würde ich voll auf Alexander Nübel setzen.» Was wäre denn, wenn der 27-Jährige beim VfB Stuttgart wieder so eine starke Saison spielt wie die vergangene Spielzeit?
Im EM-Kader war Oliver Baumann (34) von der TSG Hoffenheim hinter Neuer und ter Stegen der dritte Torwart ohne Ansprüche auf einen Einsatz. Kevin Trapp (34/Eintracht Frankfurt) und Bernd Leno (32/FC Fulham) bekamen ebenfalls schon mehrfach Anrufe eines Bundestrainers. Warum in der einstigen Titannation eine größere Auswahl an Mitte-20-Jährigen fehlt, die mit aller Macht ins deutsche Tor drängen, war in den vergangenen Monaten mehrfach Diskussionsthema.
Klare Zielsetzung für 2026
Nagelsmann wird es allerdings nicht zwingend um die langfristige Perspektive gehen - der Vertrag des 37-Jährigen endet, Stand heute, nach der WM in zwei Jahren, und darauf hat der Bundestrainer alles ausgerichtet. «Wir wollen Weltmeister werden», ist einer der Sätze, die von Nagelsmanns Pressekonferenz nach dem EM-Aus im Viertelfinale gegen Spanien nachwirken.
Zunächst spielt die Nationalmannschaft in den kommenden Monaten in der Nations League, zum Auftakt am 6. September in Düsseldorf gegen EM-Gruppengegner Ungarn. Drei Tage später kommt es zum Topspiel der Gruppe 3 in Amsterdam gegen die Niederlande. Weiterer Gruppengegner ist Bosnien-Herzegowina. Im März beginnt die WM-Qualifikation.
Entscheidungen in den kommenden Tagen
Nagelsmann wird die Nationalmannschaft am 2. September in Herzogenaurach versammeln, in der kommenden Woche wird der Bundestrainer seine Kader-Entscheidungen veröffentlichen. Die Bekanntgabe, wer auf Gündogan als Kapitän folgt, dürfte im Anschluss erfolgen. Joshua Kimmich (29), der beim FC Bayern vom neuen Trainer Vincent Kompany wieder ins Mittelfeld beordert wurde? Real Madrids Abwehrchef Antonio Rüdiger (31)?
«Wir haben einen großen Stock, der die WM noch spielen kann», hatte Nagelsmann gesagt. Aus seiner Startelf muss er im Vergleich zur EM Neuer, Gündogan und Toni Kroos (34) streichen. Thomas Müller (34), der ebenfalls seinen Rücktritt eingereicht hatte, spielte schon beim Heim-Turnier nur noch eine Nebenrolle. Die weiteren EM-Spieler haben noch mehrere Jahre vor sich, allen voran die 21 Jahre alten Supertalente Jamal Musiala und Florian Wirtz, die in der DFB-Auswahl eine Ära prägen sollen. Bei der Kapitäns- oder gar Torwartfrage sind beide für Nagelsmann aber keine Hilfe.