Wenn Alexandra Popp nach dem Gold-Triumph und den Olympischen Spiele von Rio gefragt wird, glänzen ihre Augen und sie fragt mit einem breiten Lächeln: «Wo soll ich anfangen?» Acht Jahre danach steht die Kapitänin der deutschen Fußballerinnen in Frankreich vor einem herausfordernden Turnier - für sich selbst und das Team von Horst Hrubesch. Bei den Aussichten ist die 33-Jährige vom VfL Wolfsburg hin- und hergerissen.
«Grundsätzlich traue ich der Mannschaft alles zu», sagte Popp vor der Auftaktpartie gegen Australien am Donnerstag (19.00 Uhr/ZDF und Eurosport) in Marseille der Deutschen Presse-Agentur. Bei der EM 2022 in England, als Popp zum Popstar des Frauenfußballs aufstieg, habe keiner mit der DFB-Auswahl gerechnet - «und plötzlich waren wir da. Wir haben es aber genauso andersherum erlebt bei der WM, bei der jeder mit uns gerechnet hat und wir waren nicht richtig da.»
«Bisher macht der Fuß gut mit»
Ein Jahr nach dem WM-Debakel in Australien mit dem Vorrunden-Aus unter Trainerin Martina Voss-Tecklenburg peilen die deutschen Frauen eine Medaille an. Zuletzt siegten die EM-Zweiten zwar mit 4:0 gegen Österreich, unterlagen aber zuvor mit 0:3 in Island. Popp fehlte bei beiden Härtetests, weil sie nach einer Fußreizung geschont wurde.
«Bisher macht der Fuß gut mit», sagte Deutschlands Fußballerin des Jahres zu ihrer körperlichen Verfassung. Training und Spiel seien aber verschiedene Dinge: «Wenn ich beim Spiel auf dem Platz stehe, dann zählen da hundert Prozent. Da kann schon sein, dass der Fuß vielleicht mal etwas stärker reagiert.»
In Frankreich wird man Popp möglicherweise in einer anderen Rolle erleben. Für die am Knie operierte Lena Oberdorf könnte sie im Mittelfeld wie schon oft beim VfL Wolfsburg eingesetzt werden. Darüber hat Hrubesch schon mit ihr gesprochen.
Popps Fuß muss halten
«Am Ende ist entscheidend, dass wir erfolgreich Fußball spielen. Wenn Horst das Gefühl hat, mich auf die Sechs zu stellen und dann die anderen Flitzer da vorne spielen zu lassen, dann ist das so», erklärte Popp mit Blick auf das Offensivtrio mit Lea Schüller, Klara Bühl und Jule Brand. «Es spricht ja auch nichts dagegen, dass wenn man auf der Sechs spielt, dann auch mal auf dem Sprung Richtung Box ist, um da vielleicht auch torgefährlich zu werden.»
Zu Beginn der Sommerspiele kann sich die 139-fache Nationalspielerin jedenfalls ganz auf den Fußball konzentrieren, nachdem sie bei der Wahl zur deutschen Fahnenträgerin für die Eröffnungsfeier am Freitag der Judoka Anna-Maria Wagner unterlegen war. Popp nahm's sportlich und reagierte bei Instagram mit einem erhobenen Daumen: «Ich bin unglaublich stolz und dankbar, allein schon unter den Nominierten gewesen zu sein.»
Erinnerungen an Usain Bolt
So bleibt ihr der Reisestress mit einem Trip nach Paris zwischen dem Spiel gegen die Matildas und gegen Rekord-Weltmeister USA am Sonntag ebenfalls in Marseille erspart.
Die Chance auf eine zweite Olympia-Teilnahme sah Popp schon «davonschwimmen», nachdem das deutsche Team die Spiele 2021 in Tokio verpasst hatte. Jetzt will sie unbedingt noch mal ins Athletendorf, «wo du diesen olympischen Geist ein Stück weit mehr zu greifen bekommst». Dafür müssten die deutschen Frauen als Gruppenerster das Viertelfinale in Paris erreichen beziehungsweise das Endspiel im Prinzenpark.
Damals in Rio erlebte Popp den Hype um einen Sprint-Superstar mit: «Ein Usain Bolt, der oben aus seinem Zimmer rausschaut und sich feiern lässt. Vor dem Haus eine Traube von Athleten, die ihm zujubeln.» Der 2:1-Sieg gegen Schweden im Maracanã, das Überreichen der Goldmedaille - «das sind einfach besondere Momente. Gefühlt haben wir zwei Tage durchgefeiert.»
«... sonst kann uns jede Mannschaft weh tun»
In Frankreich rechnen die deutschen Fußballerinnen mit vor allem physisch starken Gegnern schon in der Vorrunde, zu deren Abschluss es gegen Sambia geht. Das Team müsse schon in der Gruppenphase voll dagegen halten, sagte Popp: «Das können wir auch. Davon bin ich überzeugt. Aber es muss halt von Anfang an passieren und die 90 Minuten hindurch, sonst kann uns jede Mannschaft wehtun.»
Seit dem WM-Debakel holpert es immer wieder im Hrubesch-Team. «Man hat es in den letzten Spielen gesehen: Uns fehlt immer mal diese Konstanz über 90 Minuten hinweg», räumte Popp ein. «Das wird entscheidend sein: Kriegen wir die auf den Platz - mit allem, was wir haben – dann haben wir gute Chancen, oben ein Wörtchen mitzureden. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann wird’s auf dem Niveau brutal schwer.»
Klar ist, dass Popp als Spielführerin vorangehen muss und wird. «Alex zeigt immer wieder, was sie auf dem Platz für die Mannschaft bewirken kann. Natürlich einerseits sportlich, aber auch von der Körpersprache her, von der Mentalität», sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer. «Sie ist sicher eine, die klare Ansagen machen kann und immer wieder Spiele mitentscheidet.»