Die Tat sorgte für Entsetzen: Ein Jugendlicher ist vom Landgericht Darmstadt wegen Mordes an einem Obdachlosen verurteilt worden. Der 15-Jährige erhielt eine zehnjährige Freiheitsstrafe, das ist die maximal mögliche Strafe im Jugendrecht. Er habe im November vergangenen Jahres zusammen mit seinem 18 Jahre alten Bruder einen obdachlosen Darmstädter nachts in einem Wartehäuschen zunächst überfallen, schilderte das Gericht am Freitag in der Urteilsbegründung den Tatablauf. Für die danach erfolgten tödlichen Schläge und Tritte war demnach der jüngere Bruder allein verantwortlich.
Der 15-Jährige wurde des Mordes aus niedrigen Beweggründen, Raub und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Im Gericht gezeigte Videos von Überwachungskameras zeigten, dass beide Brüder den Mann auf dem zentralen Luisenplatz in Darmstadt zunächst schlugen und der Jüngere Gegenstände aus dessen Rucksack nahm.
Zeugen hatten zwischenzeitlich eine Polizeistreife alarmiert, doch diese erkannte den Raub nicht, auch, weil der Obdachlose keinen belastete. Ein Beamter hatte als Zeuge vor Gericht Fehler eingeräumt. Die Streife schickte die Brüder zu der Haltestelle, an der in zwei Stunden ihr Bus in die Nachbarkommune Roßdorf abfahren sollte.
Minutenlang Schläge und Tritte
Der Ältere schlief stark betrunken ein, der Jüngere rannte zurück zum Obdachlosen, trat und schlug ihn zu Boden. Im Überwachungsvideo war zu sehen, dass der Jugendliche den Mann minutenlang schlug und trat. Die erneut vom Zeugen alarmierte Polizeistreife nahm den 15-Jährigen unmittelbar nach der Tat neben dem am Boden liegenden Mann fest. Dieser erlag einen Tag später seinen schweren Verletzungen. Der 15-Jährige gestand den Tatablauf laut Gericht.
Sein Bruder wurde zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit und 10 Gesprächen bei der Jugendgerichtshilfe verurteilt. Dieses Urteil ist bereits rechtskräftig, der Verteidiger des 15-Jährigen prüft, ob er Revision einlegt.
Der 15-Jährige verfolgte die Urteilsbegründung ausdruckslos. Er war der Polizei wegen Diebstählen, Körperverletzungen und einem sexuellen Übergriff auf eine 20-Jährige bekannt, aber noch nicht verurteilt. «Sie nehmen sich, was Sie wollen», sagte der Vorsitzende Richter Marc Euler mit Blick auf die Delikte. «Und in dem Moment wollten Sie ein Leben nehmen», erklärte der Richter. «Erziehung ist das eine, aber gerechter Schuldausgleich das andere», sagte der Richter zur Entscheidung, die Maximalstrafe zu verhängen. «Man kann nicht auf einem öffentlichen Platz einen armen Obdachlosen hinrichten.»
Bindungsstörung festgestellt
Die Brüder sind bulgarische Staatsbürger. Sie waren 2017 nach Deutschland zu ihrer alleinerziehenden Mutter gezogen, die seit 2013 in Deutschland arbeitete. Die vorherige Trennung hat laut einem psychiatrischen Gutachten beim Jüngeren zu einer Bindungsstörung geführt.
Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend der Staatsanwaltschaft, die auf Mord und neun Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe plädiert hatte. Der Verteidiger des 15-Jährigen hatte achteinhalb Jahre Haft wegen Totschlags gefordert. Beim 18-Jährigen waren sich Anklage und Verteidigung einig, beide hatten eine Verwarnung mit zehn Erziehungsgesprächen bei der Jugendgerichtshilfe gefordert.