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AfD-Parteitag: Treueschwüre und Witze über Abschiebungen

Die AfD zieht ihren Parteitag ohne große Überraschungen und Grabenkämpfe durch - zur Zufriedenheit der Vorsitzenden. Die hoffen, dass für die AfD bei den Landtagswahlen im Osten die Sonne aufgeht.
AfD-Bundesparteitag
Die AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla beim Bundesparteitag der AfD in der Grugahalle in Essen. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Neun Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen präsentiert sich die AfD bei ihrem Parteitag in Essen relativ geschlossen. Nach der überraschend schnellen Neuwahl des 14-köpfigen Parteivorstands mit der Bestätigung der Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla im Amt, umschiffen die Delegierten auch am zweiten Tag des Treffens die ganz kontroversen Themen. Zu massiven Gegendemonstrationen wie beim Auftakt des Parteitags kommt es rund um die Grugahalle nicht mehr. Im verregneten Essen bleibt es am Sonntag ruhig.

Der Thüringer Landesvorsitzende, Björn Höcke, der bei früheren Bundesparteitagen oft das große Wort führte, hält sich dieses Mal zurück. Am Sonntagmittag tritt er erstmals ans Rednerpult, um eine Kandidatin für das Bundesschiedsgericht vorzuschlagen. «Einen wunderschönen Tag in die Grugahalle», sagt er. Höflicher Applaus. Die von ihm vorgeschlagene Juristin, die nach eigenen Angaben für die AfD-Bundestagsfraktion arbeitet, fragt: «Ist das noch der Rechtsstaat, den wir aus dem Grundgesetz kennen?». Am Ende unterliegt sie knapp. Eine Rechtsanwältin aus Halle an der Saale, die in Anspielung auf den Slogan «Sachsen-Anhalt - Land der Frühaufsteher» sagt, sie stamme aus Sachsen-Anhalt, dem «Land der Frühabschieber», erntet dafür nicht nur Lacher, sondern wird auch ins Bundesschiedsgericht gewählt.

Chrupalla überholt Weidel

Rückblick: Schon der Samstag verläuft für AfD-Verhältnisse ungewohnt harmonisch. Chrupalla schlägt seine «geliebte» Co-Vorsitzende als Kandidatin vor. Weidel nimmt den Ball auf und verkündet, sie wolle zusammen «mit meinem geliebten Tino» in die Planung für den Bundestagswahlkampf gehen. Beide werden ohne Gegenkandidaten wiedergewählt: Weidel mit knapp 80 Prozent, Chrupalla überholt sie sogar mit knapp 83 Prozent - die Enthaltungen dabei jeweils nicht mitgezählt. Wie lange der Treueschwur der beiden halten wird, zeigt sich vermutlich erst im kommenden Frühjahr. Da will die Partei über eine mögliche Kanzlerkandidatur entscheiden.

Auch die restlichen zwölf Vorstandsposten werden schnell durchgewählt. Oft tritt nur ein Kandidat an. Am Ende werden fünf Positionen neu besetzt. Weidel ist jetzt die einzige Frau im AfD-Führungsgremium.

Weidel keilt gegen Ampel

Am Rednerpult keilt die Co-Chefin in Richtung Ampel: «Liebe Regierung, haut endlich ab, macht den Weg frei für Neuwahlen». Deutschland sei «zu einem Ponyhof verkommen». Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall - eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat. Weidel schimpft: «Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft.» Lauten Beifall erntet sie für die Aussage, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, «dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa».

Keine «Melonisierung» - im Osten soll «die Sonne aufgehen»

«Wir wollen keine Melonisierung», ruft Chrupalla in die Halle - mit Blick auf die rechte italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und deren Unterstützung für die Ukraine. Der Co-Chef legt den Fokus auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September, wo die AfD in Umfragen jeweils auf Platz eins steht: «Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen.» Allerdings will keine Partei mit ihr zusammenarbeiten, was die Sache mit dem Regieren schwierig macht. In seiner Rede betont Chrupalla Erfolge und streicht die Mitgliederentwicklung heraus. Demnach hat die AfD jetzt 46.881 Mitglieder, 17.723 mehr als noch Anfang 2023. 

Kritik nach missratenem Europawahlkampf

Bei der Europawahl am 9. Juni hatte die AfD allerdings einen Dämpfer bekommen, auch darum geht es auf dem Parteitag. Sie hatte zwar mit 15,9 Prozent im Vergleich zu 2019 zugelegt, war damit aber hinter eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Geschadet haben dürften ihr Berichte über das Potsdamer Treffen radikaler Rechter zur sogenannten Remigration, die neue Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten, Maximilian Krah, der unter anderem wegen mutmaßlicher Russland- und China-Verbindungen wochenlang für Schlagzeilen gesorgt hatte. Durchsuchungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche gab es beim Zweiten auf der AfD-Europawahlliste, Petr Bystron.

Krah auf der Ersatzbank

Kritik gab es später von Krah-Unterstützern, die sich von der Parteispitze mehr Rückhalt für den Sachsen gewünscht hätten. Krah hatte ein Auftrittsverbot bekommen und war nach der Wahl von den AfD-Delegierten aus ihrem Kreis ausgeschlossen worden. Weidel bemüht in Essen eine Fußball-Metapher: Ein Trainer-Gespann könne gezwungen sein, taktische Auswechslungen vorzunehmen. Auch talentierte Spieler könnten sich verrennen. Wenn jemand auf die Ersatzbank müsse, sei er nicht aus dem Kader geflogen. Chrupalla wirbt im Rückblick auf die Europawahl für mehr Professionalität. «Wir hätten 20 Prozent holen können», sagt er und fordert: «Wir müssen unsere Kandidaten künftig genauer ansehen.»

Massive Gegendemos und Verletzte

Das ganze Wochenende über kommt es in Essen zu teils massiven Protesten gegen den AfD-Parteitag. Am Samstag sind es Zehntausende Menschen. Es gibt friedliche Kundgebungen, aber auch Blockaden, Störaktionen und Gewalt. Tausende Polizisten sind im Einsatz. Einige AfD-Delegierte werden zur Grugahalle eskortiert. Laut Polizei werden 28 Beamte verletzt, einer davon schwer. Die Polizei setzt nach eigenen Angaben auch Schlagstöcke und Reizgas ein. Auch Demonstranten werden verletzt. Am Sonntag bleibt es ruhig. An einer Mahnwache des Bündnisses «Essen stellt sich quer» in Sichtweite der Grugahalle nehmen nach Schätzung eines dpa-Reporters am Vormittag rund 150 Menschen teil.

© dpa ⁄ Jörg Ratzsch und Anne-Beatrice Clasmann, dpa
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