Ein Gegentreffer, zack - so leicht kann der Traum vom Viertelfinale zersplittern. Die deutsche Fußballnationalmannschaft startet in die K.o.-Phase der Fußball-EM. Spannender geht's fast nicht. Egal, ob man das Achtelfinale vor dem Fernseher zu Hause, auf der Fanmeile oder sogar im Stadion verfolgt: Das Herz wummert kräftig. Gefährlich kräftig?
Fußballfieber: Gefäße enger, Blutdruck rauf
Es kommt darauf an. Aber von vorn: Das Mitfiebern bei einem Fußballspiel bedeutet für den Körper Stress. Auch wenn der in dem Fall einen positiven Auslöser hat, macht das für die körperliche Reaktion keinen Unterschied, wie der Kardiologe Prof. Thomas Meinertz erklärt. «Die Herzfrequenz erhöht sich. Der Blutdruck geht rauf, die Gefäße verengen sich, die Atmung wird schneller.»
Wer gesund ist, muss durch diese körperliche Reaktion keine schwerwiegenden Folgen fürs Herz befürchten. Doch bringt man gewisse Vorerkrankungen, etwa eine Koronare Herzkrankheit (KHK) mit, bedeutet starke Anspannung durchaus eine Belastung für das Organ.
Bei einer chronischen KHK sind die Herzkranzgefäße dauerhaft verengt. Ihre Aufgabe ist es, den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen. Starke Anspannung und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen erhöhen da das Risiko, dass es zu einem Herzinfarkt - auch als akute KHK bezeichnet - kommt. Der Herzmuskel wird dann nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt.
Das Problem: «Es gibt viele Menschen im mittleren Lebensalter, die koronar krank sind - aber sie wissen es nicht», sagt Meinertz, der dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört. Längst nicht jede KHK macht sich durch Beschwerden bemerkbar.
Auch voller Magen und Alkohol wirken sich aus
Beim Fußballgucken kommen oft noch weitere Belastungen fürs Herz-Kreislauf-System dazu. Einer davon ist, dass man sich vielleicht mit fettigen und schwer verdaulichen Mahlzeiten wie Bratwurst, Pizza oder Chips satt gefuttert hat. «Der gut gefüllte Magen und Darm brauchen Blut und ziehen das vom Herzen ab», sagt Meinertz. Auch das kann bei Vorerkrankungen das Herzinfarktrisiko steigen lassen.
Und: Wenn man so vollgefuttert auf dem Sofa oder der Bierbank sitzt, wird das Zwerchfell, die Muskel-Sehnen-Platte zwischen Brust- und Bauchraum, nach oben geschoben. Auch das kann sich auf die Durchblutung des Herzens auswirken. Zudem ist Alkohol ein Risikofaktor, denn er lässt den Blutdruck nochmals steigen.
Wie sich Herzpatientinnen und -patienten gut schützen
Die gute Nachricht: Schon kleinen Maßnahmen könnten das Herz schützen.
Wer gut vorbereitet ist, hat vorab mit Arzt oder Ärztin einen Plan geschmiedet. Denn eine Möglichkeit ist, die Dosis der jeweiligen Medikamente vor oder während solcher Anspannungssituationen anzupassen. Das macht auch Kardiologe Meinertz, der selbst einen hohen Blutdruck hat. «Ich weiß, wenn ich mir das Spiel anschaue, dass meine Herzfrequenz ungewöhnlich ansteigt. Da nehme ich eine Stunde vor dem Spiel eine Dosis meines Betablockers mehr», sagt er. Wichtig ist aber: Dosierungen von Medikamenten auf keinen Fall in Eigenregie verändern, nur in Absprache mit Arzt oder Ärztin.
Was dem Herz-Kreislauf-System auch hilft, sind ein paar Schritte in der Halbzeitpause und ein maßvoller Umgang mit Alkohol. Und wenn es möglich ist: dafür sorgen, dass das Herz gar nicht erst bis zum Anschlag wummert: «Innerlich eine gewisse Distanz halten, ganz bewusst. Es ist alles nur ein Spiel und ein Spaß. Auch wenn das leichter gesagt ist als getan», sagt Meinertz.
Fußball und Spannung: Wann es kritisch wird
Ein Warnzeichen, dass die Fußball-Anspannung dem Herzen gerade zu viel wird, ist ein Engegefühl im Brustkorb: «Ein wie eingeschnürtes Gefühl, das in den Hals, in die Schultern, Arme oder in den Bauch ausstrahlt oder aber nur hinter dem Brustbein sitzt», beschreibt Meinertz. «Ein Gefühl, das man sonst vielleicht nur unter starker körperlicher Belastung kennt.» Wer eine Herzerkrankung hat, weiß im besten Fall, was dann zu tun ist - und dass Runterkommen nun ein Muss ist.
Ist der Schmerz jedoch sehr stark oder wird immer stärker, ist das ein Fall für den Notruf 112.