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Spahn tritt Kritik an Formulierung zu Ungeimpften entgegen

Nach einer Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente gibt es wieder eine Debatte über die staatlichen Corona-Maßnahmen. Bei einem Beispiel von 2021 geht es auch um Einschätzungen zu Impfungen.
Ex-Bundesgesundheitsminister Spahn mit FFP2-Maske
«Pandemie der Ungeimpften»: Jens Spahn verteidigt seine Formulierung aus der Corona-Zeit. (Archivbild) © Kay Nietfeld/dpa

Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist Kritik an der von ihm benutzten Formulierung «Pandemie der Ungeimpften» in der Corona-Krise entgegengetreten. «Damit war gemeint bei mir, dass wir auf den Intensivstationen damals vor allem Menschen ohne Impfungen gesehen haben, die schwere und schwerste Verläufe hatten», sagte der CDU-Politiker dem ZDF. Das sei eine Situation gewesen, «die das Gesundheitssystem zu überfordern drohte». 

Hintergrund ist die Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente über die Sitzungen des Corona-Krisenstabs beim Robert Koch-Institut (RKI). Eine Gruppe um eine Journalistin, die zu den Kritikern der Corona-Politik der Bundesregierung zählt, hatte die Unterlagen online gestellt und am Dienstag in einer Pressekonferenz vorgestellt. Das RKI erklärte dazu, es habe die Datensätze «weder geprüft noch verifiziert».

Diskussion im RKI-Krisenstab

In einem Dokument, betitelt als Ergebnisprotokoll vom 5. November 2021, heißt es demnach von einem Vertreter eines RKI-Fachgebiets: «In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?» Vonseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gebe es keine Entwarnung. Regeln zu Abstand, Hygiene, Lüften würden wieder stärker in den Fokus genommen. «Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen.» Dann äußert ein Vertreter eines anderen Fachgebiets: «Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.»

Ein Sprecher Spahns sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», der damalige Minister habe auf den Umstand verwiesen, dass 90 bis 95 Prozent der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen nicht geimpft gewesen seien. «Die fachliche Einschätzung aus dem RKI, dass die Gesamtbevölkerung auch beiträgt, widerspricht dem nicht.» Spahn schrieb beispielsweise am 7. September 2021 bei Twitter: «Bei Inzidenz und auf Intensivstationen sehen wir: Wir erleben eine anwachsende Pandemie der Ungeimpften. Alle, die können, sollten sich ihren Schutz holen!»

«Das war die entscheidende Botschaft: Wenn sich möglichst viele impfen lassen, geht es auch schneller in die Normalität zurück», erläuterte Spahn am Donnerstagabend im ZDF. «Das mag auch moralischen Druck bedeutet haben für manche, die sich noch nicht haben impfen lassen, aber das lag natürlich auch in der Pandemiezeit damals begründet.»

Lauterbach: Überwiegend Ungeimpfte auf Intensivstationen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilte dem «Spiegel» mit Blick auf seinen Vorgänger mit: «Spahn hat wohl gemeint, dass sich zwar auch Geimpfte infizieren könnten, das war ja bekannt und wurde auch von ihm nicht bestritten. Es waren allerdings überwiegend Ungeimpfte, die mit schweren Verläufen auf die Intensivstation mussten». Viele der getroffenen Maßnahmen seien notwendig gewesen, um besonders Ungeimpfte und das Gesundheitswesen zu schützen.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen äußerte sich besorgt, dass mit der ungeschwärzten Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte insbesondere von Mitarbeitern des RKI verletzt würden. Zudem werde mindestens in Kauf genommen, dass ihre Sicherheit dadurch erheblich gefährdet werde. «Es muss nun alles getan werden, dass diese Menschen, die im RKI eine außerordentliche Arbeit zur Bewältigung dieser nie dagewesenen Gesundheitskrise für dieses Land geleistet haben, den notwendigen Schutz erfahren, der nun erforderlich geworden ist.» 

Das RKI will seine Protokolle nach Angaben Lauterbachs zu einem noch nicht genannten Zeitpunkt selbst veröffentlichen. Die Dokumente zeigen, worüber der Krisenstab bei seinen Sitzungen jeweils beriet: aktuelle Infektionszahlen, internationale Lage, Impfungen, Tests, Studien oder Eindämmungsmaßnahmen.

Das RKI hatte im Mai bereits die Protokolle für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 weitestgehend ohne Schwärzungen veröffentlicht. Auslöser war eine vorherige Veröffentlichung stärker geschwärzter Protokolle durch das Online-Magazin «Multipolar». Dass zahlreiche Passagen zu dem Zeitpunkt geschwärzt waren, löste eine Debatte über die Unabhängigkeit des RKI aus.

© dpa
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