Der tödliche Anschlag während eines Straßenfests in Solingen hat die nordrhein-westfälische Stadt und auch ganz Deutschland erschüttert. Der mutmaßliche Täter ist gefasst, die Bundesanwaltschaft ermittelt und wirft ihm ein konkretes Motiv vor. Doch manches ist noch immer unklar. Ein Überblick:
Was wir wissen
Festnahme: Nach eintägiger Großfahndung stellte sich der mutmaßliche Täter selbst. Laut Polizei gab der 26-Jährige an, für den Anschlag verantwortlich zu sein.
Mutmaßlicher Täter: Nach Polizeiangaben handelt es sich um einen Syrer. Der «Spiegel» berichtete, der Mann sei Ende Dezember 2022 nach Deutschland gekommen und habe in Bielefeld einen Antrag auf Asyl gestellt. Den Sicherheitsbehörden war er demnach nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Eigentlich sollte der Mann im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war. Der Syrer war über Bulgarien in die Europäische Union eingereist. Da er zwischenzeitlich allerdings in Deutschland untergetaucht sei, sei die Abschiebung vorerst hinfällig gewesen, schrieb die «Welt». Später sei der Syrer nach Solingen überstellt worden. Dem sogenannten Dublin-Abkommen zufolge ist in der Regel das Land für einen Asylantrag zuständig, das ein Asylbewerber zuerst betritt.
Ermittlungen: Die Bundesanwaltschaft hat den Fall von der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf übernommen. Die oberste deutsche Anklagebehörde ermittelt unter anderem wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Motiv: Laut der Bundesanwaltschaft teilt der Syrer die Ideologie der ausländischen terroristischen Vereinigung IS und schloss sich dieser irgendwann vor Freitag an. Die Karlsruher Behörde geht davon aus, dass der Mann aufgrund radikal-islamistischer Überzeugungen auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen töten wollte. Mit einem Messer habe er hinterrücks wiederholt und gezielt auf den Hals- und Oberkörperbereich von Besuchern des Festivals eingestochen.
IS-Bekennerschreiben: Der IS beansprucht den Messerangriff für sich. Der Angreifer habe dem IS angehört und die Attacke, die einer «Gruppe von Christen» gegolten habe, aus «Rache für Muslime in Palästina und anderswo» verübt, hieß es in einer über das IS-Sprachrohr Amak verbreiteten Mitteilung. Die Polizei Düsseldorf hat nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben der Terrormiliz erhalten.
Tat: Am Freitagabend um 21.37 Uhr gingen nach Polizeiangaben erste Notrufe ein, weil ein Angreifer plötzlich auf Besucher des Fests anlässlich des 650-jährigen Jubiläums der Stadtgründung eingestochen habe. Auf dem gut besuchten Fronhof, einem Marktplatz, war für das Fest eine Bühne aufgebaut worden. Unmittelbar vor dieser Bühne schlug der Täter zu. Ihm gelang es danach, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik zu entkommen.
Die Opfer: Der Angreifer tötete zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Ihnen ging es am Sonntag besser.
Was wir nicht wissen
Gaza-Krieg: Der Islamische Staat (IS) gab in seiner Mitteilung als Grund für die Attacke «Rache für Muslime in Palästina und anderswo» an. Das legt einen Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas nahe. Ob dies zutrifft, ist nicht erwiesen. Gleiches gilt für die Frage, ob der mutmaßliche Attentäter tatsächlich Verbindungen zum IS hatte.
Waffe: Die Polizei hat mehrere Messer sichergestellt und prüft, welches davon der Tat zugeordnet werden kann.
Beweise: Bei der Festnahme des Tatverdächtigen wurden nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) auch «Beweisstücke» gefunden. Es blieb aber zunächst unklar, worum es sich dabei handelte.
Flucht: Ungeklärt ist nach wie vor auch, wie der Täter nach dem Anschlag untertauchte - und wo sich der nun gefasste Mann bis zu seiner Festnahme versteckt hielt.
Weitere Personen: Im Zuge der Ermittlungen gerieten zumindest zeitweise weitere Menschen ins Visier der Ermittler, vor allem wohl als Zeugen. Welche Rolle sie genau haben könnten, war zunächst unklar. Die Bundesanwaltschaft ermittelt jedenfalls bisher nur gegen den 26-Jährigen.