Ob Bischöfe, Synoden oder Verbände - im Vorfeld der Europawahl am kommenden Sonntag haben die beiden großen Kirchen deutlich davor gewarnt, die AfD zu wählen. Das ist ein Novum, wie eine Expertin nun betont hat: «Im Vergleich zu vorherigen Wahlen, bei denen eher Einzelpersonen sich äußerten, sind die Aufrufe dieses Mal deutlicher und organisierter», sagte Sabrina Mayer, Professorin für Politische Soziologie an der Uni Bamberg. Das habe zum einen mit dem Aufkommen und Erstarken der AfD zu tun, aber auch damit, dass immer deutlicher werde, welche Positionen die AfD vertrete.
Die Abgrenzung von der AfD gelte generell als sinnvolles Mittel für einen längerfristigen Umgang, sagte Mayer weiter. «Gleichzeitig sehen wir in Umfragen, dass konfessionelle Bindung und Religiosität nicht mehr gegen die Wahlpräferenz für die AfD schützt.» Früher habe man bei rechtsextremen Parteien oftmals vor allem für katholische Gläubige eine Art Schutzeffekt der Religion beobachten können - durch die hohe Bindung an CDU/CSU. Das hat sich Mayer zufolge heute durch die Individualisierung des Wahlverhaltens verändert.
Abgrenzung als gesamtgesellschaftliche Frage
Aufrufe im Zusammenhang mit der Wahl hätten in der Regel mehrere Adressaten, erläuterte die Wissenschaftlerin weiter. Zum einen würden sie natürlich den eigenen Mitgliedern beziehungsweise Gläubigen gelten und die Funktion der Abgrenzung erfüllen. «Man könnte argumentieren, dass angesichts der niedrigen Anzahl an Menschen, die noch eine starke Bindung an die jeweiligen Kirchen verspüren, die Auswirkungen gering sind», sagte Mayer. «Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die öffentliche Wahrnehmung durch die mediale Berichterstattung ein weiterer wichtiger Punkt ist.»
Gerade wenn verschiedene Institutionen der Zivilgesellschaft wie Vereine, Verbände, Stiftungen und Unternehmen sich entschieden positionieren, entstehe ein Bild, dass die Abgrenzung zur AfD nicht nur parteipolitisch getrieben sei, sondern von einem breiten Bündnis an Organisationen getragen werde. Die Abgrenzung werde so zu einer gesamtgesellschaftlichen Frage.
Im Februar bei ihrer Frühjahrstagung in Augsburg hatten sich die katholischen Bischöfe Deutschlands klar von der AfD distanziert: «Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung», schrieben die Bischöfe. «Wir appellieren an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch an jene, die unseren Glauben nicht teilen, die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen und zurückzuweisen. Wer in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft leben will, kann in diesem Gedankengut keine Heimat finden.»
«Kandidaten der AfD nicht wählbar»
Das oberste Laiengremium der Katholiken in Bayern rief für die Europawahl zu einer «Wahlentscheidung für eine demokratische Partei» auf und wandte sich deutlich gegen die AfD. «Die Haltungen der AfD sind mit den Werten und dem Auftrag Jesu an die Menschen nicht vereinbar, Kandidatinnen und Kandidaten der AfD damit nicht wählbar», hieß es in einem Aufruf des Landeskomitees zur Wahl.
Auch auf der Landessynode der evangelischen Kirche im Freistaat hatte Landesbischof Christian Kopp im April deutlich gemacht: «Parteien, die nationalistische, rechtsextremistische und fremdenfeindliche Positionen vertreten, können von Christinnen und Christen nicht gewählt werden.»