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Orban will rechtes Parteienbündnis schmieden

Im Kampf gegen die «Brüsseler Eliten» lässt der Poltergeist der EU nicht locker. Viktor Orban sammelt Gleichgesinnte um sich, um die Europäische Union aufzumischen. Macht die AfD auch mit?
Rechtes Parteienbündnis
Andrej Babis (l-r), Herbert Kickl und Viktor Orban in Wien. © Tobias Steinmaurer/APA/dpa

Einen Tag vor Übernahme der Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union (EU) hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Parlament angekündigt.

Die Gruppierung «Patrioten für Europa» umfasse neben der ungarischen Regierungspartei Fidesz die rechte österreichische FPÖ und die liberal-populistische tschechische ANO, sagte Fidesz-Chef Orban in Wien im Beisein von FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem ANO-Vorsitzenden Andrej Babis. Das Bündnis sei für weitere Parteien offen, die sich zu dem von den drei Parteivorsitzenden unterzeichneten «Patriotischen Manifest» bekennen.

Orban: «Ein neues Zeitalter beginnt»

Mit dem erhofften Zulauf zu den «Patrioten» würde die Gruppierung zur «größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas» aufsteigen, so Orban. «Ein neues Zeitalter beginnt», führte er weiter aus. Die neue Fraktion werde Europa «auch gegen den Willen der Brüsseler Eliten verändern». Das «Patriotische Manifest» enthält die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und «Green Deal», keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten.

«Diese Allianz soll eine Trägerrakete darstellen», sagte FPÖ-Chef Kickl. Der ANO-Vorsitzende und tschechische Ex-Premier Andrej Babis erklärte, dass die neue Fraktion im Europäischen Parlament vor allem auf die Verteidigung der nationalstaatlichen Souveränität gegenüber der EU, den Kampf gegen illegale Migration und die Rücknahme der Klima-Maßnahmen des «Green Deal» setze.

Eigene Fraktion braucht 23 Abgeordnete aus 7 Ländern

Die Oppositionspartei FPÖ, die oppositionelle ANO und der rechtspopulistische Fidesz bekamen bei der EU-Wahl in ihren jeweiligen Ländern die meisten Stimmen. Fidesz stellt elf Abgeordnete im neuen Europaparlament, ANO sieben und die FPÖ sechs. Insgesamt verfügen sie damit über 24 der 705 Vertreter in dem EU-Gremium. Für die Bildung einer Fraktion sind insgesamt mindestens 23 Abgeordnete aus sieben Ländern erforderlich.

Weder Orban noch Kickl noch Babis deuteten an, welche Parteien aus welchen Ländern mit Sitzen im Europaparlament sich der neuen Fraktion anschließen könnten. Inhaltlich bestehen vor allem bei Fidesz und FPÖ viele Berührungspunkte mit der AfD, die kurz vor der Europawahl am 9. Juni aus der rechten ID-Fraktion ausgeschlossen worden war.

Wohlwollende Signale aus dem AfD-Hinterland

Am Rande des AfD-Bundesparteitags in Essen wollte sich AfD-Chef Tino Chrupalla auf Anfrage nicht zu Orbans Plänen äußern. Beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM in München hatte er im Stadion ein Selfie mit Orban gemacht und dieses auf seinem Instagram-Kanal geteilt.

Der AfD-Europaparlamentarier Marc Jongen äußerte sich hingegen im Deutschlandfunk wohlwollend. «Also wenn es nach mir ginge, dann würden wir dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten», sagte er. Das «Patriotische Manifest» könne seine Partei «sofort unterschreiben». Inhaltlich sei man «Orban sehr nahe», man arbeite daran, «eine formelle Zusammenarbeit in der Zukunft herzustellen».

Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn

Ungarn übernimmt am Montag turnusgemäß den halbjährigen Vorsitz in der EU. Orban, der das Land seit 14 Jahren regiert, ist in der EU umstritten. Unter dem Vorwand des «souveränen Regierungshandelns» hat er nach Ansicht von Kritikern den Rechtsstaat und die Demokratie in Ungarn abgebaut und damit gegen Geist und Buchstaben der Europäischen Verträge, der Grundlagendokumente der EU, verstoßen. Dazu gehöre auch, dass er zentrale Segmente der Volkswirtschaft - darunter Banken und den Telekom-Sektor - unter die Kontrolle ihm nahestehender Oligarchen gebracht habe.

Gegen Ungarn läuft wegen verschiedener massiver Verstöße ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren, das mit dem Entzug der Stimmrechte in der EU enden könnte. Weiterhin hält die EU mehrere Milliarden Euro an Fördergeldern zurück, die Ungarn zustehen würden, deren Auszahlung aber aufgrund des Rechtsstaatsmechanismus der EU ausgesetzt ist. Als Regierungschef des Vorsitzlandes kann Orban allerdings in diese Vorgänge nicht eingreifen. Einen gewissen Spielraum hat er beim Setzen von Themen und bei der Lenkung von Debatten in den EU-Spitzengremien.

Fidesz vertritt Verschwörungserzählung

Die Abgeordnetengruppe der von Orban geführten Fidesz-Partei war wiederum im Europaparlament isoliert, nachdem sie 2021 aus der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, nach jahrelangen Streitigkeiten hinausgedrängt worden war. Der Versuch Orbans nach der Europawahl, seine Fidesz-Abgeordneten in der rechten Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR) unterzubringen, scheiterte an der ablehnenden Haltung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die bestimmenden Kräfte in der EKR, Melonis Fratelli d'Italia und die polnische PiS, halten Orbans Nähe zu Russland für unannehmbar.

Orban und der Fidesz vertreten offen Positionen des äußersten rechten Randes des europäischen Parteienspektrums, darunter die Verschwörungserzählung vom «Bevölkerungsaustausch»: «Globale Eliten», unter ihnen der ungarischstämmige US-Milliardär und Philanthrop George Soros, würden die Einwanderung von Muslimen nach Europa nach Kräften fördern, um die europäischen Völker ihrer «christlichen und nationalen Identität» zu berauben, wird da behauptet. Belege dafür gibt es keine.

© dpa
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